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Naturordnung und Naturunordnung in Torquato Tassos Aminta

Philip Flacke

Steine, Flüsse, Pflanzen, Tiere des Waldes und Menschen, die allesamt als Akteur*innen agieren, die Verbindungen und Beziehungen zueinander haben, die aufeinander einwirken und miteinander umgehen – das mag heute wahlweise nach der Akteur-Netzwerk-Theorie des Philosophen Bruno Latour oder nach dem indigenen ökologischen Wissen der Biologin Robin Wall Kimmerer klingen, Ansätzen, die unter den Vorzeichen der Klimakrise entwickelt oder mit Dringlichkeit weiterentwickelt worden sind.1 Und doch charakterisiert diese Beschreibung nicht minder gut einen Text, der über 450 Jahre alt ist. Torquato Tassos Schäferspiel Aminta2 spielt in einer beseelten Natur, die selbst Anteil an der Handlung hat. Noch immer manchmal im Ruf der Weltfremdheit und Trivialität stehend, zeigt die scheinbare Idylle bei genauerer Untersuchung die Auseinandersetzung mit einer Natur, deren Ordnung stets das Umkippen in die Katastrophe droht.

Vollendet in Ferrara wohl 1573 und womöglich im selben Jahr dort uraufgeführt, steht das Stück historisch im Kontext einer Reihe von Krisenerfahrungen: «Naturkatastrophen, dynastische Probleme des Herrschergeschlechts, außenpolitische Spannungen, Geldschwierigkeiten, Zukunftsängste aller Art.»3 Die Informationen über Tassos Arbeit an dem Stück sind rar.4 Datiert wird es aufgrund von Figurenrede: An einer Stelle wird das Alter des dichtenden Tirsi, eines Freundes der titelgebenden Hauptfigur, mit «kaum neunundzwanzig Jahre[n]» angegeben (943).5 Weil Tirsi als alter ego Tassos interpretiert wird und Tasso am 11. März 1573 neunundzwanzig wurde, gilt dieses Datum als terminus ante quem für die Entstehung des Aminta. Eine Uraufführung am 31. Juli 1573 auf der heute nicht mehr existenten Po-Insel Belvedere, einem Lustort der regierenden Este-Familie vor den Stadtmauern Ferraras, wurde in der Forschung lange als gesichert angenommen, ist aber durch neue Dokumente zweifelhaft geworden.6 Vielleicht wurde das Stück bereits im Frühjahr 1573 in Ferrara inszeniert; gesichert ist spätestens eine Aufführung im Februar 1574 in Pesaro. Die zahlreichen Drucke setzen erst 1580 ein, doch existieren ältere Handschriften.7 Ferrara ist und bleibt ein zentraler Referenzpunkt, arbeitet Tasso doch mit einem engmaschigen Netz an Bezügen und Anspielungen auf Personen und Verhältnisse des dortigen Hofes und Herzogtums.8

In den Jahren 1570 bis 1574 wurde Ferrara durch eine Reihe von Erdbeben erschüttert.9 Das stärkste ereignete sich im November 1570; in den Jahren darauf bebte die Erde über zweitausend weitere Male. Nach Einschätzung von Emanuela Guidoboni, die die Geschichte von Erdbeben erforscht,

[q]uesti terremoti costituirono un evento importante nella storia di Ferrara perché gli effetti cumulativi delle scosse sulle costruzioni procurarono danni ingenti: il contrasto fra le due immagini della città – prima e durante il terremoto – è spesso accompagnato, nel racconto di contemporanei a cui giungeva notizia dell’evento, dal timore di una rovina irreversibile: ‹che Dio non voglia si habbia a dire: qui era Ferrara›.10

Ein Großteil der Gebäude wurde im November 1570 beschädigt oder zerstört. Wohl etwa 70 Menschen starben. Die Einwohner*innen flohen aus ihren Häusern ins Freie. So zitiert Guidoboni den jüdischen Gelehrten Azariah min-Ha’adumim, dessen Wohnhaus zerstört wurde: «‹Tutti erano fuggiti dalle loro dimore coperte e protette da mura, buone o cattive, per rifugiarsi all’aperto›. Si fuggiva lontano da ogni costruzione, nelle piazze, nei giardini, negli orti, lungo la riva del fiume, ‹in qualsiasi luogo purché isolato da ogni edificio›.»11 Viele wichen für einige Zeit auf die ländliche Umgebung der Stadt aus. Circa ein Drittel der Bevölkerung zog fort. Zu den Konsequenzen der Beben gehört auch, dass der Flusslauf des Po sich veränderte und von der Stadt wegbewegte.12 Die Ereignisse in Ferrara erregten weithin Aufmerksamkeit und zogen eine Reihe von Berichten und Büchern nach sich.

Wie unmittelbar die kollektive Katastrophenerfahrung und der Aminta aufeinanderfolgen, hat in einer Rekonstruktion der Entstehungskontexte Raffaele Araneo herausgearbeitet. Dabei erscheint ihm das pastorale Setting als sorgenfreie Gegenwelt: Tassos Stück mit seinen zahlreichen Referenzen auf die Hofgesellschaft Ferraras sei «il dramma in cui si fondeva il mondo idilliaco dei pastori d’Arcadia con l’ambiente della corte, che veniva così a trovarsi come sospesa in uno spazio senza tempo». Araneo beobachtet «quel mirabile gioco di specchi che vedeva la Corte Estense immersa in quel mondo idilliaco ove il sentimento d’amore aveva il suo pieno sfogo senza freni censori».13

Damit gliedert Araneo die Erdbeben als für die zeitgenössische Rezeption des Stücks relevanten Kontext in eine Reihe älterer Deutungen ein, die in Schäferdichtung einen Ausdruck von Eskapismus oder Wirklichkeitsferne gesehen haben. So urteilt beispielsweise Karl Vossler über den Aminta: «Es war ja nicht bloß sein [Tassos, Ph. F] persönlicher Geschmack, es war der Zug der ganzen italienischen Kunst, daß sie sich von der Wirklichkeit des Lebens abwandte, um in der heiteren Sinnlichkeit des schönen Scheines zu schwelgen.» Und weiter schreibt er über den Autor der Gerusalemme liberata und des Aminta: «Die ritterliche Schwärmerei und die schäferliche sind im Grunde eine und dieselbe Sache: Mangel an Sinn für die Wirklichkeit ihre gemeinsame Quelle.»14

Entsprechende Deutungen als Literatur der Weltflucht, in der Forschung inzwischen häufig zurückgewiesen,15 scheinen durch die stärkere Beachtung der Erdbebenserie in Ferrara zunächst an Plausibilität zu gewinnen. Die Bewohner* innen, auch der Hof, hatten ihre Stadt als unsicheren Ort kennengelernt, vor einstürzenden Gebäuden fliehen müssen und im Freien und auf dem Land Zuflucht gefunden. So mag sich mit Blick auf den Aminta die Idee einer ruralen Idylle außerhalb der von Katastrophen gezeichneten Stadt aufdrängen, ähnlich der, die Kleist in seinem Erdbeben in Chili literarisch ausgestaltet: der sanft und lieblich wirkende Naturraum eines schattigen Tals, das auf die Überlebenden der Naturgewalt wirkt, «als ob es das Tal von Eden gewesen wäre».16 In Kleists Erzählung hat diese scheinbare Idylle keinen Bestand.

Was Tassos Schäferspiel betrifft, so zeigt die Untersuchung des Textes ein ambivalentes Bild. Natur bedeutet im Aminta in erster Linie eine Ordnung. Dabei zeigen sich die handelnden Hirten und Nymphen den sie umgebenden Landschaften, Tieren, Pflanzen, Flüssen usw. an vielen Stellen eng, ja unmittelbar verbunden. Von Idylle jedoch, von einer sorgenfreien, milden Natur und verklärt-idealen Mensch-Natur-Beziehungen kann keine Rede sein. Die ländliche Welt des Stücks ist keine heile Welt, vielmehr zeigt sich ein bedrohliches Moment bis hin zur Gefahr für Leib und Leben als essentieller Teil der Natur im Aminta.

Natur im Bild

Natur, was ist das? Die Frage bringt die anregende Kombination von Eigenschaften mit sich, schwierig, interessant und relevant zu sein. «Kein Wort in der menschlichen Sprache ist vieldeutiger, als Natur», schreibt Herder in einem gelegentlich zitierten Satz.17 Aus Sicht der historischen Kulturwissenschaften erweist sich die Begriffsgeschichte der Natur als höchst ergiebiger Gegenstand: «Der N[atur]-Begriff ist zu allen Zeiten eine Projektionsfläche für die Selbstvergewisserung des Menschen in der Welt gewesen und daher nicht nur kategorial für sein gesamtes Denken, sondern auch zeitlich und räumlich außerordentlich vielschichtig.»18 Oder, mit einem Klassiker der Cultural Studies: «the idea of nature contains, though often unnoticed, an extraordinary amount of human history».19

Um sich Tassos Naturbegriff anzunähern, mögen zwei Gestalten helfen – Varianten ihrer Bilddarstellung in jener allegorieverliebten Zeit.20 In seiner Enzyklopädie der Bilderfindungen Iconologia empfiehlt Cesare Ripa ab der Auflage von 1603 (erst in späteren Auflagen ergänzt um eine entsprechende Illustration, Abb. 1), wenn es darum geht, la Natura vor Augen zu bringen:

Donna ignuda, con le mammelle cariche di latte, e con un avoltore in mano, come si vede in una Medaglia d’Adriano Imperatore, essendo la Natura, come diffinisce Aristotile nel 2. della Fisica [192b], principio in quella cosa ove ella si ritrova del moto e della mutazione, per la quale si genera ogni cosa corruttibile.
Si farà donna et ignuda, e dividendosi questo principio in attivo e passivo, l’attivo dimandorono con il nome di forma, e con nome di materia il passivo.
L’attivo si nota con le mammelle piene di latte, perché la forma è che nudrisce e sostenta tutte le cose create, come con le mammelle la donna nutrisce e sostenta li fanciulli.
L’avoltore, uccello avidissimo di preda, dimostra particolarmente l’altro principio dimandato materia, la quale per lo appetito della forma movendosi et alterandosi strugge a poco a poco tutte le cose corruttibili.21

Abb. 1 Allegorie der Natura.
Holzschnitt. In: Cesare Ripa: Iconologia, ouero Descrittione d’Imagini delle Virtu’, Vitij, Affetti, Passioni humane, Corpi celesti, Mondo e sue parti. In Padoua per Pietro Paolo Tozzi 1611, S. 374 (Bild: Bayerische Staatsbibl. und Google Books via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Natura_-_Ripa.jpg )

Abb. 1 Allegorie der Natura. Holzschnitt. In: Cesare Ripa: Iconologia, ouero Descrittione d’Imagini delle Virtu’, Vitij, Affetti, Passioni humane, Corpi celesti, Mondo e sue parti. In Padoua per Pietro Paolo Tozzi 1611, S. 374 (Bild: Bayerische Staatsbibl. und Google Books via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Natura_-_Ripa.jpg )

Ripas Natura ist eine ambivalente Figur. Sie ist nackt, ein Umstand, den er nicht weiter erläutert, der aber als Zeichen von Natürlichkeit im Sinne von Unverstelltheit verstanden werden mag.22 Angeregt durch die Terminologie der aristotelischen Naturphilosophie23 werden ihr zwei Prinzipien zugeordnet: ein nährendes und ein zerstörendes. Raymond Williams hat diesen Aspekt der Begriffsgeschichte der Natur mit den Bildern eines zornigen und eines gütigen Gottes verglichen: «the form of the struggle between a jealous God and a just God is very reminiscent of the struggle in men’s minds between the real experiences of a provident and a destructive ‹nature›».24 Dazu gehört die Leistung, eine geordnete Welt anzunehmen – «a divine order, of which the laws of nature were the practical expression» –, obwohl Extremereignisse diese Ordnung auf den Kopf zu stellen scheinen: «plague or famine […] can be conveniently called not natural laws but natural catastrophes». Ripas Bild und dessen Auslegung gehen allerdings weiter als das. Die zerstörende Seite der Natur, ‹das Passive›, dem Ripa den Begriff der Form zuordnet, erscheint nicht als Widerspruch zur Ordnung der Welt, sondern vielmehr als deren integraler Bestandteil und notwendiger Aspekt jeglicher Veränderung. Dieser Umstand freilich nimmt dem Attribut der allegorischen Darstellung nichts von seiner Bedrohlichkeit: Ripas Natura erscheint nicht nur als ernährende Mutter, sondern auch mit einem Geier in der Hand, der auf Beute giert.

Ripas Quelle an dieser Stelle ist Vincenzo Cartaris Studie über die antike Ikonographie der Götter, Imagini,25 die in erster Auflage 1556 und in bebilderter dritter Auflage 1571 erschienen war. Sie ist dem zwischen diesen Auflagen zum Kardinal ernannten Luigi d’Este gewidmet, in dessen Diensten sich nicht nur Cartari sondern gleichzeitig (bis 1572) auch Tasso befand,26 und führt insofern recht nah an die Abfassung des Aminta 1573 heran. Cartari erwähnt wie Ripa eine Münze aus der Zeit Hadrians sowie die Attribute Brüste und Geier, wobei der Geier nicht eigentlich als Attribut, sondern als eigenes Bild erscheint:

faceuano il corpo di questa Dea tutto pieno, e carico di poppe, come che l’uniuerso pigli nutrimento dalla terra, ouero dalla uirtù occulta della Natura […] e uedesi questa medesima figura con tante poppe in una medaglia antica di Adriano. In Egitto quando uoleuano disegnar la Natura nelle loro sacre figure, faceuano l’Auoltoio [...].27

Anders als in Ripas diese Attribute kombinierender Bilderfindung erscheinen bei Cartari die Milch spendenden Brüste und der Geier als Kennzeichen verschiedener Varianten der allegorischen Natur-Darstellung. Deren erste, eine Frau oder Göttin mit zahlreichen Brüsten (multimammia), ist als Typ der sogenannten Artemis oder Diana von Ephesos anzusprechen, einer in antiken Bilddarstellungen zu findenden Gottheit, die in der Renaissance als Personifikation der Natur umgedeutet wurde.28

Abb. 2 Gillis van den Vliete: Sog. Diana von Ephesos,
Travertinstatue, 1568. Tivoli, Villa d’Este, seit 1611 vor eine künstliche Grotte im Nordwest-Ende des Gartens versetzt (Bild: Yair Haklai via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fontana_di_Diana_Efesina-Tivoli,_Villa_d%27Este.jpg)

Abb. 2 Gillis van den Vliete: Sog. Diana von Ephesos, Travertinstatue, 1568. Tivoli, Villa d’Este, seit 1611 vor eine künstliche Grotte im Nordwest-Ende des Gartens versetzt (Bild: Yair Haklai via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fontana_di_Diana_Efesina-Tivoli,_Villa_d%27Este.jpg)

Ein zeitgenössisches Beispiel stellt die Brunnenfigur dar, die Luigis Onkel, der Kardinal Ippolito II d’Este, in dessen Umfeld sich Cartari und Tasso ebenfalls bewegten, 1568 für den Garten seiner Villa in Tivoli anfertigen ließ (Abb. 2).29 Die heute in schlechtem Zustand befindliche Travertinstatue zeigt eine überlebensgroße stehende Frauengestalt von majestätischer Positur und erhobenem Blick. Das komplexe Bildprogramm ihrer Attribute und Erscheinung – von den Reihen sitzender Tiere entlang ihres Unterkörpers bis zur Mauerkrone auf ihrem Kopf – folgt dem antiken Vorbild: Es handelt sich um eine vergrößerte Replik einer einst in der Farnesischen Sammlung befindlichen Alabasterstatue aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, die sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel befindet. Am Oberkörper der Diana in Tivoli entspringen aus 16 Brüsten Wasserstrahlen und ergießen sich über künstliche Felsen in ein Becken, sodass Farne, Mose und Algen den Brunnen überwachsen haben.

Ursprünglich stand die Statue nicht an ihrem heutigen peripheren Platz, etwas seitlich am unteren Ende des Gartens, sondern sie war zentraler Teil der in Ippolitos Auftrag entworfenen Wasserorgel-Anlage, die gut sichtbar auf halber Höhe des Gartens ein beeindruckendes Schauspiel bot. Durch einen innovativen Mechanismus wurden mittels Luft und Wasser zunächst eine Trompete und dann 22 Orgelpfeifen zum Spielen gebracht. Anschließend ergoss sich eine ‹Sintflut› genannte Masse an Wasserstrahlen in verschiedene Richtungen, wobei zu bestimmten Tageszeiten jener Regenbogen zu sehen war, der nach Gen. 9, 12–17 das Ende der Sintflut und den Bund Gottes mit Noah symbolisiert.

In Pirro Ligorios Planung der Gartenanlagen sollte diese «Brunnen der Sintflut» oder «Mutter Natur» genannte Anlage mit der multimammia im Zentrum einen herausgehobenen Platz in der Abfolge der Areale innehaben.30 Von hier aus, am höhergelegenen Ende einer breiten Querachse, sollten Wasserfälle, Bäche und Wasserläufe, Sprühregen, Fontänen, Brunnen, Fischteiche und Becken gespeist werden. Es handelt sich um jenes Zusammenspiel von ars und natura, das seit Jacopo Bonfadio mit dem Begriff terza natura bezeichnet wurde, eine auf kunstfertige Weise inszenierte und angereicherte Natur, welche die Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit verschwimmen lässt.31 Der Garten brachte eine geordnete Schöpfung vor Augen, in deren prächtiger und überlegter Ausgestaltung nicht nur, wie in Sintflut und Regenbogen, die Hand Gottes sichtbar wurde, sondern auch die Macht und der Plan ihres weltlichen Urhebers, des Kardinals Ippolito. Dabei kam der multimammia ursprünglich eine größere und ambivalentere Rolle zu, als ihre heutige Inszenierung an einem Seitenort, in gleichförmig ruhigen Strahlen Farne und Mose bewässernd, vermuten lässt.32 Die nährende oder gar schöpferische Natur (natura naturans)33 ist nur die eine Seite dieser Rolle. Denn nicht nur die ruhig-regelmäßigen Wasserstrahlen der 16 Brüste gingen von der Figur und ihrem Brunnen aus, der dann den unteren Gartenbereich versorgte, sondern auch ein Schauspiel, das den Inbegriff der Zerstörung inszenierte. Was die Diana der Villa d’Este auszeichnete, war eine ähnliche Spannung wie diejenige zwischen Milch spendenden Brüsten und gierendem Geier bei Ripa: die Ambivalenz zwischen Mutter Natur und Sintflut, zwischen alles nährender Versorgerin und alles zerstörender Katastrophe.

Sowohl Ripas Natura als auch Ippolitos Diana stellen Allegorien von weit gefassten, abstrakten Begriffen dar. Der Einflussbereich der Natur erstreckt sich bei Ripa, der zitierten Textstelle zufolge, über «alle Dinge der Schöpfung», «[alle] veränderliche[n] Dinge, «alle vergänglichen Dinge». Sie hat genug Profil, um zur Allegorie zu taugen. Es ist eine Natur, die als Wort für sich stehen kann: Natura – anders als im Fall der engeren und wohl älteren Wortbedeutung von natura rerum, der Natur einer Sache oder wörtlich der ‹Natur der Dinge›. Diesen älteren, für eine Allegorie wohl zu wenig eigenständig-konkreten Sinn beschreibt C. S. Lewis mit den folgenden Worten:

By far the commonest native meaning of natura is something like sort, kind, quality, or character. When you ask, in our modern idiom, what something ‹is like›, you are asking for its natura. When you want to tell a man the natura of anything you describe the thing. In nineteenth-century English the word ‹description› itself (I do not associate with persons of that description›) is often an exact synonym for natura.34

Die Natur, die für sich steht, als ein die ganze Schöpfung umfassendes oder affizierendes Prinzip ist etwas anderes als die Natur eines Einzeldings. Das Cinquecento kennt beide Naturbegriffe und beide finden sich bei Tasso. Jedoch ist, wie der Blick in den Text zeigt, die Unterscheidung weniger trennscharf, als es zunächst vielleicht erscheint.

Natur im Aminta

Das Stück beginnt mit dem Prolog Amors, der als Hirte verkleidet erklärt, er verstecke sich vor seiner Mutter Venus. Gegen ihren Willen wolle er nicht nur an den Höfen, sondern auch in den Wäldern sein Werk verrichten. Vor vielen Jahren schon habe er den damals jugendlichen Hirten Aminta in seitdem unerwiderte Liebe zu der Nymphe Silvia entbrennen lassen; nun wolle er in Silvia dieselben Gefühle wecken, sobald ihr Herz durch Mitleid erweicht sein werde. Die folgenden fünf Akte zeigen die Umsetzung dieses Vorhabens, ohne dass Amor noch einmal auftritt. Ein Großteil der Handlung geschieht dabei off-stage und wird erst nachträglich in unterschiedlich perspektivierten Figurenreden berichtet, ja, die Hauptcharaktere Aminta und Silvia stehen nicht einmal gemeinsam auf der Bühne.

Silvia will zu Beginn von Liebe nichts hören und besteht wie ihre Herrin Diana auf ihrer Eigenständigkeit als jungfräuliche Jägerin. Um dennoch eine Verbindung zwischen Silvia und Aminta voranzutreiben, leiten deren Vertraute Dafne und Tirsi einen Plan in die Wege. Aminta soll Silvia bei ihrem Bad an einer Quelle überraschen und den Moment ihrer Nacktheit und Schutzlosigkeit ausnutzen. Wofür genau bleibt ungesagt. Auch ein von Silvia als Liebhaber zurückgewiesener Satyr beschließt von sich aus, Silvia dort aufzulauern. Kurz bevor er sie vergewaltigen kann, treffen Aminta und Tirsi ein. Aminta tut, was an der Bedeutung seines griechischen Namens «Verteidiger» schon abzulesen gewesen war,35 und schlägt den Satyr in die Flucht. Die befreite Silvia läuft aus Scham davon. Kurz darauf erfährt Aminta, dass sie einen Wolf in den Wald verfolgt und man ihren Speer und ihren Schleier nahe blutiger Knochen gefunden habe, inmitten eines Wolfsrudels. An ihren Tod glaubend stürzt sich Aminta von einer Felsenhöhe, um sich das Leben zu nehmen. Silvia, die den Wölfen in Wirklichkeit hat entkommen können, hört von Amintas vermeintlichem Suizid um ihretwillen und wird dadurch zu Mitleid und Liebe gerührt. Sie will Amintas Leichnam begraben und ihm dann selbst in den Tod folgen. Doch auch Aminta ist in Wahrheit nicht gestorben; der Bewuchs der Felsen hat seinen Sturz gebremst. Silvia findet ihn bewusstlos am Boden und küsst ihn, bis er aufwacht und sich in ihren Armen findet.36

Acht Mal kommt das Wort natura (oder Natura) im Aminta vor.37 Bei über zweitausend Versen mag das wenig erscheinen gemessen an der Bedeutung, die der ländlich-idyllischen Entrücktheit in der Gattungskonzeption des Schäferspiels zukommt. Allerdings nennt Tasso manches gar nicht Natur, was wir heute so nennen würden. In der ersten Szene des ersten Aktes ist davon die Rede, dass Tiere und Pflanzen im Frühling zur Liebe animiert würden (213–257): Schafe, Kühe, Tauben, Nachtigallen, Schlangen, Tiger, Löwen, Fichten, Pinien, Eschen, Weiden, Buchen, Eichen, sie alle gingen der Liebe nach, kurzum «die Natur und Tiere» und – denn um die Überredung der angesprochenen Silvia, sich der Liebe nicht zu verschließen, geht es ja – «Männer und Frauen» (223 f.). János Riesz übersetzt «die Natur und Tiere», sodass entsprechend der rhetorischen Aufzählung außer der Fauna auch die Flora benannt ist. Im italienischen Text aber ist von natura keine Rede. Stattdessen steht dort: «il mondo e gli animali / e gli huomini e le donne».38 Die Natur in Bedeutungen wie ‹Gesamtheit alles Lebendigen›, ‹Zusammenhang von Organismen und Lebensräumen› o. ä. kommt im Aminta unter dem Begriff natura nicht vor – was nicht heißt, dass sie keine Rolle spielt.

Im Sinne von natura rerum verwenden die Charaktere das Wort natura, um naturalistische Argumente vorzubringen. Frauen seien von Natur aus wankelmütig («femina, cosa mobil per natura», 369), heißt es da, ihre Abweisung in Liebesdingen habe deshalb wenig zu bedeuten.39 Was Tirsi hier vorträgt, fußt auf einer Prämisse des ‹So-sind-sie-eben›, das ‹Natur› als eine unverrückbare und inhärente Qualität entwirft. Und es zielt auf ein Handeln ab, insofern es darum geht, wie mit dem Nein einer Frau umzugehen ist: Aminta soll Silvias Zurückweisung seiner Liebe nicht ernst nehmen. Diese beiden Aspekte zeichnen eine Art von Argumenten aus, die ich als naturalistisch bezeichnen möchte. Sie kann hinauslaufen auf einen ethischen Naturalismus, eine «normative[ ] Ethik, die die Entfaltung der natürlichen Anlagen des Menschen zum moralischen Ziel erklärt»40 . Das Essentialistische von Tirsis Rhetorik prägt auch den Monolog des Satyrs.

Usa ciascuno
quell’armi che gli ha dato la natura
per sua salute: il cervo adopra il corso,
il leone gli artigli, et il bavoso
cinghiale il dente; e son potenza et arme
ne la donna bellezza e leggiadria (795–800)

Wieder wird eine Ungleichheit der Geschlechter als Teil einer naturgegebenen Ordnung präsentiert. Diese Inanspruchnahme der natura muss auch am Horizont des Cinquecento problematisch erscheinen, wenn der Satyr in einem Analogieschluss nun fortfährt, Vergewaltigung als natürliche Konsequenz seiner Veranlagung zu legitimieren:

Io, perché non per mia salute adopro
la violenza, se mi fe’ Natura
atto a far violenza et a rapire? (801–803)

Wie idyllisch ist eine Naturordnung, die es erlaubt, Vergewaltigung als naturgegeben zu rechtfertigen? Die Frage ist vielleicht polemisch, handelt es sich doch um Figurenrede. Und doch muss man sich fragen, ob der Satyr als Figur nicht genau so angelegt ist, wie er sich selbst charakterisiert: als Vertreter der rohen Begierde, einer unzivilisierten und gewaltsamen Sexualität. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Tirsi und der Satyr argumentieren mit der Natur der Dinge, jedoch gewinnt die Natur dahinter zugleich Züge einer Ordnungsstifterin und Autorität, einer für sich benennbaren Instanz. Natura rerum und natura changieren, so wie die Varianten der Groß- und Kleinschreibung und auch das Nennen oder Weglassen des bestimmten Artikels einen Unterschied markieren, ohne aber eine klare Unterscheidung zugrunde zu legen: «la natura» habe den Lebewesen ihre Begabungen gegeben, «Natura» habe den Satyr für Gewalt und Raub geeignet ‹gemacht›. Als Verteilerin von Qualitäten fungiert die Natur auch in einer Apostrophe in einem kurzen Monolog Tirsis, abermals mit misogyner Stoßrichtung:

E tu, Natura,
negligente maestra, perché solo
a le donne nel volto e ’n quel di fuori
ponesti quanto in loro è di gentile,
di mansueto e di cortese, e tutte
l’altre parti obliasti? (1184–1189)

Wieder besteht die Tätigkeit der Natur darin, Eigenschaften zu verteilen (hier, sie einzusetzen: «ponesti»). Hinter der natura rerum steckt in Tirsis Rede eine Natura, die als Instanz gedacht werden und als «negligente maestra» personifiziert werden kann, ja so viel Eigenständigkeit erhält, dass sie angesprochen werden kann.

Früher schon hat Tirsi die Natur eine «maestra» genannt: «maestra è la natura» (848).41 Anders als wohl in Vers 1185 ist hier nicht eine Meisterin im Sinne des Handwerks oder Kunsthandwerks gemeint, sondern eine Lehrmeisterin «a scuola» (846). Dafne und Tirsi streiten, einander neckend, darüber, wer einem jungen Mädchen, einer «fanciulla» (833, 846), beibringe, den Männern zu gefallen – bei wem sie ‹in die Schule› gehe. «[M]aestra è la natura», schließt Tirsi und neckt: «ma la madre e la balia anco v’han parte» (848 f.). Wieder tritt die Natur als Autoritätsfigur auf, die einen Anteil daran hat, dass die Welt so geworden ist, wie sie ist, – doch nicht als Schöpferin. Williams bespricht die Personifikation der Natur als Lehrerin im Kontext christlicher Weltbilder des Spätmittelalters und der Renaissance: Sie erlaube die Grundannahme einer «divine order, of which the laws of nature were the practical expression. […] Nature instructs man in his duties, under the eye of God; he can find his own nature and place from the instructions of nature.»42

Die Natur ist nicht die einzige Autoritätsfigur hinter der Ordnung der Welt im Aminta. Außer ihr spielen insbesondere drei andere eine Rolle: erstens der von Tirsi als «Gott» bezeichnete Herrscher des Landes (994), der für gewöhnlich mit Tassos Herrn Alfonso II d’Este identifiziert wird, zweitens Amor, der ja im Prolog angekündigt hatte, im Folgenden seine Macht wirken zu lassen, und drittens, im Chorlied des ersten Aktes, die Ehre.

«S’ei piace, ei lice» (681) lautet die Formel, die laut Auskunft des Chors das schöne Goldene Zeitalter, die «bella età de l’oro» (656), als Handlungsmaxime prägte. Riesz übersetzt mit Goethe: «Erlaubt ist, was gefällt.» (681)43 Im selben Vers wie diese berühmtesten Worte des Stücks Aminta ist von der Natur die Rede. Denn es handle sich um jene «legge aurea e felice / che natura scolpì: ‹S’ei piace, ei lice›.» (680 f.) Die Natur als Gesetzgeberin auftreten zu lassen, entspricht genau der Rhetorik eines ethischen Naturalismus. Die Veranlagung zu ausgewählten Verhaltensweisen wird als natürlich konstruiert und erhält den moralischen Geltungsanspruch eines ius naturae. Die Wortwahl des scolpire lässt zugleich eine etablierte Bildformel der schöpferischen Natur aufscheinen: die natura scultrice, die Natur als Bildhauerin.44

Die Natur erscheint als Autorität, mit deren Hilfe eine Maxime des menschlichen Handelns legitimiert wird. Allerdings datiert der Chor die Zeit des Naturrechts auf eine verlorene Vergangenheit. Seitdem habe das unvernünftige Volk einem neuen Gesetz zur Geltung verholfen, nämlich dem Gesetz der ‹Ehre›. So werde bezeichnet, was der Chor stattdessen einen «idolo d’errori, idol d’inganni» nennt (671). Diesen Götzen – die Ehre, die im Italienischen maskulin ist («onor», 673) – habe man «di nostra natura il feo tiranno» (674). Kurz darauf wird in demselben Chorlied die Ehre als Herr über Amor und die Natur apostrophiert: «tu, d’Amore e di Natura donno» (710).45 Nicht eine ambivalente Natur, «between the real experiences of a provident and a destructive ‹nature›» (Williams), problematisiert der Chor, sondern eine zivilisatorisch beeinträchtigte Natur. Und nicht im Überfluss natürlicher Ressourcen und im Ausbleiben natürlicher Gefahren und Beschwernisse besteht die Idylle der verlorenen Goldenen Zeit,46 sondern in der Geltung des ius naturae unter den Menschen.

Natura, mal groß-, mal kleingeschrieben, mal mit, mal ohne Artikel, bezeichnet im Dramentext des Aminta verschiedene, aber zusammenhängende Begriffe: Sie changieren zwischen der Qualität von Einzeldingen und Klassen (natura rerum) und einer allgemeinen, für sich stehenden Natura, zwischen abstraktem Konzept und ansprechbarer Instanz, zwischen Naturordnung und Ordnungsstifterin, Gesetzgeberin, (Mit?)Schöpferin, Meisterin, Bildhauerin und Lehrerin, zwischen ‹So-sind-die-Dinge-eben› und ‹So-sollte-es-sein›. Gemein ist den Belegen erstens, dass sie die natura mit einer umfassenden Ordnung verbinden, die den Dingen in der Welt ihren Platz weist. Zweitens stehen die Menschen dabei nie außerhalb dieser Ordnung: Die Natur im Aminta ist keine Angelegenheit, die der menschlichen Sphäre gegenübergestellt wird, wo von ihr die Rede ist, geht es vielmehr immer auch um Menschen. Die so involvierten Figuren setzen die natürliche Ordnung drittens immer wieder in argumentative Zusammenhänge, die auf die Richtigkeit oder Falschheit von Handlungen abzielen. Viertens scheint die Natur dabei stets eine gültige oder zumindest gute Ordnung zu repräsentieren, niemals Unordnung.

Dieser Schein allerdings verliert an Strahlkraft mit dem Monolog des Satyrs. Lisa Sampson argumentiert, dass dessen Auftreten direkt nach dem Chorlied von der bella età de l’oro die dort verklärte Idee einer sittlich idealen Natürlichkeit pervertiert. So nimmt der Satyr das Stichwort des Chores selbst auf in seiner Ovids Ars Amatoria (2, 277 f.) nachsprechenden Zeitklage, die Liebe sei käuflich geworden: «e veramente il secol d’oro è questo, / poiché sol l’oro vince e regna l’oro» (780 f.). Dazu Sampson: «He undermindes the nostalgic view of a ‹natural› kind of love presented by the Golden Age chorus with his critique of a contemporary venal ‹golden age›».47 Indem er das Gold wörtlich nimmt, kehrt der Satyr das Ideal des Goldenen Zeitalters in dessen Gegenteil um und problematisiert es so rhetorisch. Entscheidend für die Rolle der Natur ist dann, dass er dieselbe Art naturalistischen Argumentierens gebraucht wie der Chor, Dafne und – in Ansätzen – Tirsi. Ein bestimmtes Verhalten sei deshalb moralisch angemessen, weil es der Entfaltung von natürlichen Anlagen entspreche: Was natürlich ist, ist richtig. Was der Satyr auf diese Weise legitimiert und der freien Liebe des Chors gegenüberstellt, ist – wie gesehen – Vergewaltigung.

His elegant Petrarchan and classicizing style is […] increasingly disturbed by suggestions of indecorous violence and sexual desire, which highlights the hypocrisy and insincerity of this pose. In fact, he demonstrates how primitivism risks declining into egocentricity and violence, perverting the golden age ideal of love as a freely given gift, to one of theft and rape […] – a view which […] is, perhaps more shockingly, replicated in Tirsi’s advice to Aminta […].48

Natura hat im Aminta stets etwas mit Ordnung zu tun. Die Idee aber, es handle sich dabei um eine gute und richtige Ordnung, verliert an Boden, sobald der Satyr auf die Bühne tritt.

Vossler hat Tassos Satyr als «Naturgewalt» bezeichnet.49 Das ist insofern unzutreffend, als Aminta und Tirsi ihn leicht in die Flucht schlagen können, so leicht, wie mit einer Naturgewalt nicht fertigzuwerden ist. Und doch müssen sich Lesende und Zuschauende fragen: Wie geht es mit ihm weiter? Gebannt scheint die Gefahr nur fürs Erste zu sein. Der Satyr lauert weiter in den Wäldern, so muss angenommen werden. Stets ist die Bedrohung dessen präsent, was zunächst Idylle scheinen mag. Das zeigt sich auch, wenn man die Analyse der Naturordnung im Aminta von den acht Belegstellen des Wortes natura auf die Lebenswelt ausweitet, in der die Hirten und Nymphen des Stücks agieren: Gewalt ist ein immanenter Teil dieser Naturräume.

Utopische Ordnungen

Immer wieder ist die Schäferliteratur in die Nähe der Utopie gerückt gerückt worden. So bescheinigt Evi Zemanek den Texten der Bukolik und Georgik (Schäfer- und Landlebendichtung)50 bestehe, dass sie «ein ideales Verhältnis zwischen Mensch und Natur schildern».51 In den antiken Initialtexten der bukolischen Gattungen, Theokrits Idyllen und Vergils Eklogen, würden «Menschen, Tiere und Pflanzen in einer pastoralen Lebensgemeinschaft gesehen». Insofern beschränkt sich der Begriff des Utopischen aus ökokritischer Perspektive nicht zwangsläufig auf die Ordnung einer Gesellschaft menschlicher Akteur*innen, etwa die Verteilung von Macht zwischen Herrschenden und Volk. Sondern was eine Utopie ausmacht, kann sich bis auf die Interaktion mit nicht-menschlichen Akteur*innen und, so möchte man ergänzen, auf den Umgang mit Ressourcen und Lebensräumen ausweiten.

Allerdings schränkt Zemanek sofort ein, «[d]ass man es in der Bukolik jedoch nicht mit einer vollkommen isolierten, utopischen heilen Welt zu tun hat». Das werde bei Vergil von Anfang an deutlich, wenn gleich in der ersten Ekloge das idyllische Dasein des Hirten Tityrus dem Leid des Meliboeus gegenübergestellt werde.52 Durch die Landanweisungen Octavians, des späteren Augustus, zur Belohnung seiner Söldner nach der Schlacht von Philippi (42–41 v. Chr.), ist Meliboeus enteignet und von seinem Land vertrieben worden. Tityrus jedoch wurde gewährt, seine Rinder in einer idyllischen Landschaft weiden zu lassen. «Das schöne Leben im schönen Naturraum ist nicht ein statisches Tableau. Es wird gefährdet, relativiert, vielleicht gar in Frage gestellt durch die unwirtliche Kontrastlandschaft des Meliboeus.»53 Mit diesen Worten zielt Klaus Garber auf die politische Dimension des literarisierten Hirtendaseins, hinter dem gerechte oder ungerechte Entscheidungen von Herrschenden sichtbar würden. Jedoch lässt sich auch mit Blick auf die Natur fragen, inwiefern die Gefährdung der Idylle als essentieller Teil des bukolischen Programms fungiert.

Was ist bei Tasso über die Lebenswelt Amintas und Silvias zu erfahren? Tirsi beschreibt das Wirtschaften einer ruralen Welt, deren Ordnung einem Landesherrn unterstellt ist. Dabei spricht er exakt die Verse aus Vergils erster Ekloge nach, mit denen Tityrus dort seinem Gönner dankt: «O Meliboee, deus nobis haec otia fecit» («O Meliboeus, ein Gott hat uns diese Muße beschert», 1, 6)54 – «O Dafne, a me questi otii ha fatto Dio» (994). Und so wie Vergils Worte auf Kaiser Augustus bezogen worden sind, so Tassos auf seinen Herrn Alfonso.55 Anders als bei Tityrus besteht das Tirsi übertragene Privileg gerade nicht im Hüten von Rindern, sondern im Singen.

O Dafne, a me questi otii ha fatto Dio:
colui che Dio qui può stimarsi, a cui
si pascon gli ampi armenti e l’ampie greggi
da l’uno a l’altro mare e per li lieti
còlti di fecondissime campagne
e per gli alpestri dossi d’Apenino.
Egli mi disse, allhor che suo mi fece:
«Tirsi, altri scacci i lupi e i ladri, e guardi
i miei murati ovili; altri comparta
le pene e i premi a’ miei ministri; et altri
pasca e curi le gregge; altri conservi
le lane e ’l latte; et altri le dispensi.
Tu canta, hor che sè in otio.» (994–1006)

Davide Colussi und Paolo Trovato weisen auf die übertragene Bedeutung dieser Worte hin, der zufolge «in pastoraler Verschlüsselung» Institutionen der Landesherrschaft aufgezählt würden: militärische Aufgaben, Rechtsprechung, Verwaltung, Güterversorgung.56 Doch auch die wörtliche Bedeutung verdient Aufmerksamkeit, denn Tirsi benennt präzise die Ausprägung und Arbeitsabläufe der Weidewirtschaft, wie sie die ländliche Welt des Aminta offenbar prägt. Zahlreich seien die Rinder- und Schafherden im Gebiet des Landesherrn. Sie wechseln zwischen Sommerweiden im Gebirge und Winterweiden und Stallungen in der Ebene – eine Wanderweidewirtschaft, deren Reinform ohne Koppel- und Stallhaltung als Transhumanz bezeichnet wird.57 Dafür bleiben vermutlich Lohnhirten bei den Herden, die offenbar von denen verschieden sind, die sich um Ställe und Felder kümmern. Ob die «lieti / còlti di fecondissime campagne» mit Riesz «heiter-wohlbestellte[] / Felder[] fruchtbarer Ländereien», also Ackerbau meinen, bleibt offen. Im ersten Chorlied wird das Pflügen des Bodens erwähnt (660 f.); Bauern und Bäuerinnen kommen nicht zur Sprache.58 Im Fokus des Stücks steht das Leben von Hirten und Nymphen. Über deren Bleibe erfahren wir nur wenig: Silvia nennt ihr Zuhause außerhalb des Waldes «mio albergo», was Riesz mit «mein[] Haus[]» übersetzt (1525); der Hirte Elpino wohnt in einer Höhle (1316; 1896). Auch Diebe gehören zum Sozialgefüge dieser Welt.59 Als Produkte der Weidewirtschaft werden nur Milch und Wolle genannt, nicht aber Fleisch; auch will Tirsi seinem Gott genannten Herrn Blumen und Weihrauch am Altar darbringen (1014–1018) und nicht Lämmer wie Vergils Tityrus (ecl. 1, 8).

Doch ist es keineswegs so, dass in der Welt des Aminta keine Tiere getötet würden. Die zweite prominente Tätigkeit neben der Versorgung von Weidetieren ist die Jagd, zu der sich noch Fallenstellen und Fischerei gesellen. Diese werden wiederholt als Zeitvertreib der jungen Leute jeglichen Geschlechts genannt, allein oder zu zweit, im Fall der Jagd aber auch als soziales Ereignis.60 Abermals werden die einzelnen Verrichtungen aufzählend präzise benannt:

e ’l mio trastullo
è la cura de ’l arco e de gli strali,
seguir le fere fugaci e le forti
atterrar combattendo. (102–105)

tender le reti,
et inveschiar le panie, et aguzzare
il dardo ad una cote, e spiar l’orme
e ’l covil de le fere. (145–148)

Seco tendeva insidie con le reti
a i pesci et a gli augelli, e seguitava
i cervi seco e le veloci damme […]. (417–419)

Zur Beute gehören Vögel, Fische, Hirsche, aber auch starke wilde Tiere, die anders als Damwild nicht fliehen. Silvia verfolgt einmal einen Wolf und versucht ihn zu erlegen (1490–1513); der Satyr spricht vom Kampf gegen Bären und Eber (775). Zu den Hilfsmitteln von Jagd, Fallenstellen und Fischerei gehören Pfeil und Bogen, Wurfspeer (1506), Netze, Leimruten und Jagdhorn (167), außerdem das Spurenlesen; ein Jagdhund wird zumindest in einer rhetorischen Figur erwähnt (136). Der Ort der Jagd ist der Wald, manchmal als Eichenwald spezifiziert (325; 1384).

Mit Weidewirtschaft, Jagd, Fischen und Fallenstellen beruhen die für die Gesellschaft der Hirten und Nymphen offenbar zentralen Verrichtungen auf der Interaktion mit Nutz- und Jagdtieren und deren Lebensräumen. Ein Bewusstsein für eine grundlegende Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen kommt vielleicht in Ansätzen zur Sprache, wenn Silvia zu Dafne sagt: «se non mancano / saette alla faretra, o fere al bosco, / non temo io che a me manchino diporti.» (105–107) – jedoch geht es ihr in erster Linie darum, ihre Autonomie als alleinstehende Frau ohne Liebhaber zu behaupten. Auch in den zu Beginn des ersten Chorlieds zurückgewiesenen Topoi des Goldenen Zeitalters von Milch und Honig, die fließen, und Früchten der ungepflügten Erde (657–661) steckt der Gedanke einer versorgenden Natur. Doch erstens sind es eben konventionelle Versatzstücke, die eher Ovid-Lektüre ausstellen als auf ein Nachdenken über Ressourcen hinauszulaufen (Metamorphosen 1, 109–112).61 Zweitens werden sie zurückgewiesen – das Gut der Goldenen Zeit habe gerade nicht in einer besonders reichen und fruchtbaren Natur bestanden und auch nicht in einem konstanten milden Klima ohne Extremereignisse: «non perché nuvol fosco / non spiegò allhor suo velo, / e n primavera eterna, / c’hora s’accende e verna, / rise di luce e di sereno il cielo» (662–666). Und drittens geht es um eine lange verlorene Zeit. Für die Gegenwart Amintas und Silvias kann gerade nicht gesagt werden, was Zemanek für die Natur-Mensch-Beziehung bukolischer Texte sonst feststellt: «Grundsätzlich ist zu beobachten, dass sich die Natur dem Menschen großzügig darbietet und er sich ihrer ganz selbstverständlich bedient, aber intuitiv tut er dies in Maßen.»62 Weder wird die Natur im Aminta als besonders fruchtbar oder milde gezeigt, noch verhalten sich die Menschen und Nymphen ihr gegenüber besonders schonend oder maßvoll. Darum scheint es nicht zu gehen.

Als weitere Seite des ‹utopischen Moments›, das der Beziehung zwischen Mensch und Natur in der Bukolik zu eigen sei, bespricht Zemanek das Konzept der sympathetischen Natur. Tiere, Pflanzen und sogar nicht-belebte Gegenstände wie Steine registrieren seit Theokrit und Vergil die Gemütsbewegungen der Schäfer, nehmen daran Anteil und reagieren darauf – besonders dann, wenn die Schäfer singen. Bei Tasso spielen Neuplatonismus und Petrarkismus in die Ausgestaltung dieses Topos hinein: «In Neoplatonic thought, by which Petrarch himself was not entirely unaffected, love was a cosmic phenomenon informing the universe and apparent in nature. Nature, therefore, can reflect the passion of the lover; trees and stones partake in his love».63 Wie schon gesehen, empfindet laut Dafnes Rhetorik alles in der natürlichen Welt die Liebe und wird vom Frühling dazu animiert (213–255): Schafe und Kühe, Tauben, Nachtigallen, Schlangen, Tiger, Löwen, Fichten, Pinien, Eschen, Weiden, Buchen, Eichen, «il mondo e gli animali / e gli huomini e le donne». Die Natürlichkeit und Allgegenwart der Liebe werden in der Natur sicht- und hörbar. Umgekehrt beschreibt Aminta, wie selbst unbeseelte Dinge durch sein Leiden zum Mitleid erweicht werden, was die hartherzige Silvia ihm verwehre.

Ho visto al pianto mio
risponder per pietate i sassi e l’onde,
e sospirar le fronde
ho visto al pianto mio;
ma non ho visto mai,
né spero di vedere,
compassïon ne la crudele e bella
che non so s’io mi chiami o donna o fera,
ma niega d’esser donna,
poiché niega pietate
a chi non la negaro
le cose inanimate. (337–348)

Die Natur agiert als Vertraute und Publikum der Selbstaussprache. Aminta will Tirsi das sagen, «ciò che le selve e i monti / e i fiumi sanno, e gli huomini non sanno.» (380 f.) – nämlich, dass der unerwidert Liebende dem Suizid nahe ist. Als später Silvia glaubt, sie werde ihr Leben beenden, verabschiedet sie sich: «A Dio, pastori. / Piagge, a Dio. A Dio, selve. Fiumi, a Dio.» (1823 f.). Der Wald fungiert weiter als Hallraum und Medium für Liebesdinge, wenn wiederholt die Praxis beschrieben wird, Verse in die Rinde von Bäumen zu schneiden: Tirsi habe auf diese Weise über unerwiderte Liebe geklagt (317 f.), Aminta wünscht sich eine entsprechende Inschrift über seinen vorgestellten Suizid aus Liebeskummer (384–386), der Chor des zweiten Aktes singt von Versen eines Liebenden «in roza scorza» geritzt (1181). Dafne zufolge hören empfindsame Seelen die «muti sospiri» der liebenden Bäume (253). Und schon Amor hatte im Prolog angekündigt, in «[q]este selve» würden heute Reden von der Liebe zu hören sein, wobei offen bleibt, ob die Wälder dabei den Part des Redens, des Hörens oder nur den Schauplatz übernehmen.64

Beinahe alle diese Verse, die eine mit-liebende und mit-leidende Natur oder den Wald als Ort der Liebesklagen entwerfen, sind konkreten Textstellen von Autoren der Antike oder Renaissance verpflichtet.65 Es handelt sich erstens um Topoi und in der intertextuellen und architextuellen Beziehung zu Texten und Gattungserwartungen besteht eine wesentliche Funktion.66 Auch unterstreichen sie zweitens die Rolle und Wirkkraft der von Schäfern vorgetragenen Dichtung und bekommen so metapoetische Relevanz.67 Drittens stellen sie Ausprägungen literarischer Mensch-Natur-Beziehungen dar. Hier setzt Zemanek an: Gerade die sympathetische Natur bezeuge, «dass hier [in der bukolischen Literatur, Ph. F.] Menschen, Tiere und Pflanzen in einer pastoralen Lebensgemeinschaft gesehen werden».68 Auch im Aminta findet sich in der Topik der Anteil nehmenden Natur eine tiefe Verbundenheit der Hirten und Nymphen mit Landschaften, nicht-menschlichen Lebewesen und Dingen. Wenngleich konventionell, spielt sie eine zentrale Rolle für die Lebenswelt der Figuren und ihren jeweiligen Umgang mit sich selbst und der Umwelt. Dabei geht es, wie die Textstellen zeigen, in erster Linie um die Artikulation von Trauer und Leiden. Von Idealisierung, Idylle oder Utopie wird man insofern nicht sprechen wollen. Was Zemanek eine Lebensgemeinschaft nennt, ist im Aminta vor allem eine Leidensgemeinschaft.

Trost vermag vielleicht die gegenwärtige und Anteil nehmende Natur zu spenden, zweitens aber können das Dichtung, Gesang, Flötenspiel. Auch «gli amarissimi martiri» würde man in der Höhle des Hirten Elpino, so erklärt Tirsi, «sovente suole / radolcir […] / al dolce suon de la sampogna chiara» (1318–1320). Auch an dieser Stelle reagiert die Natur, als ob sie mitempfinden würde: Um das heilsam besänftigende Flötenspiel Elpinos zu hören, steigen gar «da gli alti monti i sassi, / e correr fa di puro latte i fiumi, / e stilar mele da le dure scorze » (1321–1323). Was hier benannt wird, um die Wirkkraft von Elpinos Musik herauszustellen, ist eine Umkehrung der natürlichen Weltordnung als mundus inversus. Felsen, Flüsse und Bäume lassen ihre Natur hinter sich, wenn der Hirte zu musizieren beginnt. Das Spiel mit solchen Gegenordnungen ist ebenso topisch wie das Konzept der sympathetischen Natur und kennzeichnet die europäische Bukolik seit Theokrit und Vergil. Dennoch ist es im Aminta nähere Betrachtung wert, gerät doch mit der Rhetorik der umgekehrten Ordnung die Naturordnung ins Wanken.

Gegenordnungen

Im Reden der Figuren ist die Natur als umfassende Ordnung präsent, die dem*der Einzelnen bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zuteilt, Orientierung bieten und argumentatives oder rhetorisches Gewicht erhalten kann. Das haben die Belegstellen des Wortes natura gezeigt und bereits besprochene Kataloge der Natur im Verhältnis zum*zur Einzelnen wie Dafnes Aufzählung der liebenden Lebewesen oder die Rede des Satyrs von naturgegebenen ‹Waffen› illustriert. Die Reihe der Beispiele ließe sich lange fortführen. Von umfassenden Aufzählungen bis hin zu knappen Vergleichen und Metaphern stellen Tiere, Pflanzen und andere Naturdinge in der Rhetorik der Hirten und Nymphen eine gesetzmäßig geordnete Welt parat, auf die Bezug genommen werden kann. «Pasce l’agna l’herbette, il lupo l’agne, / ma il crudo Amor di lagrime si pasce, / né se ne mostra mai satollo», sagt Tirsi zu Aminta (349–351); «La Pietà messaggiera è de l’Amore, / come il lampo del tuono», sagt Dafne zu Silvia (1603 f.); «Tu, in giusa d’ape che ferendo more / e ne le piaghe altrui lascia la vita, / con la tua morte hai pur trafitto al fine / quel duro cuor, che non potesti mai / punger vivendo», sagt Dafne, ihre Worte in Silvias Gegenwart an den totgeglaubten Aminta richtend (1615–1619). Immer wieder wird das eigene Erleben auf die geordnete Natur bezogen, die Sinn stiften, Gefühlen Ausdruck und Argumenten Nachdruck verleihen kann.

Die Umkehrung dieser Strategie stellt die rhetorische Figur des Adynatons dar. Heinrich Lausberg erläutert sie als «paradoxe Periphrase»: «Der Begriff ‹niemals› wird durch das Eintreten einer ‹Naturunmöglichkeit› konkretisiert».69 Etwas weiter definiert Ernest Dutoit: «le poète, pour représenter un fait ou une action comme impossibles, absurdes ou invraisemblables, les met en rapport avec une ou plusieurs impossibilités naturelles».70 Naturgesetze werden rhetorisch auf den Kopf gestellt, um eine Sache als niemals eintretend, unmöglich, absurd oder unglaubwürdig zu charakterisieren. Typischerweise werden dazu mehrere Adynata hintereinandergesetzt – «das formale Grundprinzip ‹Reihung unmöglicher Dinge›».71 Wie bei der sympathetischen Natur handelt es sich auch bei Adynata um einen etablierten Bestandteil der bukolischen Dichtung seit Theokrit und Vergil zum einen, der petrarkistischen Liebeslyrik zum anderen.72 Doch erschöpft sich ihre Funktion nicht in der Konvention, vielmehr tragen sie zur Ausgestaltung von Naturordnung und Naturunordnung im Aminta bei.

Als Dafne ihr ausmalt, sie werde ihre Jugend später als verloren beklagen, weil sie sich der Liebe verweigert hat, erwidert Silvia:

Quando io dirò, pentita, sospirando,
queste parole c’hor tu fingi et orni
come a te piace, torneranno i fiumi
a le lor fonti, e i lupi fuggiranno
da gli agni, e ’l veltro le timide lepri,
amerà l’orso il mare, e ’l delfin l’alpe. (132–137)

Dafne wiederum reagiert mit Adynata auf Silvias Erklärung, ihr Hass auf Aminta komme von seiner Liebe. Damit stellt sie die Glaubwürdigkeit des Gesagten infrage:

Piacevol padre [amore, Ph. F.] di figlio crudele [odio, Ph. F.].
Ma quando mai da i mansueti agnelli
nacquer le tigri o i bei cigni da’ corbi?
O me inganni o te stessa. (198–201)

Später versichert Tirsi, seine Verehrung für seinen «Dio» (994) genannten Landesherrn werde niemals enden:

et allhor questa semplice e devota
religïon mi si torrà dal cuore,
che d’aria pasceransi in aria i cervi,
e che, mutando i fiumi letto e corso,
il Perso bea la Sonna, il Gallo il Tigre. (1019–1023)

Dafnes Beispiel von den Wölfen, die vor Lämmern fliehen, kehrt jene Nahrungskette um, die später von Tirsi zur Gegenüberstellung mit dem nimmersatten Amor angesprochen wird: «Pasce l’agna l’herbette, il lupo l’agne, / ma il crudo Amor di lagrime si pasce, / né se ne mostra mai satollo» (349–351). Dass es sich bei den Adynata um die genaue Umkehrung derjenigen rhetorischen Strategie handelt, auf die Naturordnung affirmativ Bezug zu nehmen, wird noch an einem anderen Beispiel deutlich. Nachdem Dafnes Katalog der allgegenwärtigen Liebe mit der Behauptung abgeschlossen ist, empfindsame Seelen könnten das stumme Seufzen der liebenden Bäume hören, verspottet Silvia diese Idee, indem sie sie als Adynaton wiederholt.

Horsú, quando i sospiri
udirò delle piante,
io son contenta, allhor, d’esser amante. (258–260)

Die Beispiele zeigen, dass sich die Rhetorik der Bezugnahmen auf die Natur nicht auf die Landschaften Norditaliens beschränkt. Von Saône und Tigris ist die Rede, von Tigern und an anderer Stelle (236, 364) auch von Löwen. Es sind dies Verwandte jener Tiger und Löwen, anhand derer Ernst Robert Curtius die Artifizialität von Naturschilderungen bespricht, denen es nicht um die Nachahmung der Wirklichkeit gehe, sondern um die Anknüpfung an ältere Bezugstexte: «Es handelt sich um eine literarische Technik. In der römischen Dichtung kommen eben Löwen vor.»73

Jedoch ist es nicht so, dass das Reden über Naturordnung und Naturunordnung im Aminta sich im Rhetorischen erschöpfen und mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben würde. Die Anspielungen auf Ferrara und Alfonsos Hof, aber auch auf damit verbundene Orte und Landschaften sind gründlich erforscht – von der Sala dell’Aurora im Castello Estense (280), dem Fluss Po (178, 570 u. ö.) und der Insel Belvedere (856), dem Wald Elicèa (325) bis zum Apennin und den Grenzen der beherrschten und alliierten Gebiete zwischen Adria und Tyrrhenischem Meer (997–999).74 In Abwandlung einer Formulierung Bruno Snells über die ambivalente Welthaltigkeit der ‹geistigen Landschaft› Arkadien könnte man für das Reden über Natur im Aminta sagen: das Nebeneinander und Ineinander von Wirklichem und Rhetorischem ist charakteristisch.75 Die Natur, deren Ordnung im Disput zwischen Dafne und Silvia um die Allgegenwart der Liebe und das stumme Seufzen der Bäume zur Streitfrage wird, reicht so nah heran, dass Dafne deiktisch auf sie verweisen kann:

Quella quercia, che pare
sí ruvida e selvaggia,
sente anch’ella il potere
de l’amoroso foco. E se tu havessi
spirto e senso d’amore, intenderesti
i suoi muti sospiri. (248–253)

Sollte das Stück tatsächlich in künstlichen Naturräumen wie auf der Po-Insel Belvedere inszeniert worden sein, dann dürften solche Fälle von Deixis76 eine Brücke zwischen fiktivem Schauplatz und tatsächlichem Aufführungsort bedeutet haben, eine Metalepse also, die die Natur der Hirten und Nymphen mit derjenigen Ferraras überblendet. Nicht nur den Figuren, sondern auch dem zeitgenössischen Publikum, das die Anspielungen und Überblendungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verstand, ist die im Aminta zur Rede stehende Naturordnung in gewisser Weise unmittelbar nah.

Die Rhetorik des mundus inversus könnte für Tassos Zeitgenoss*innen noch aus einem weiteren Grund Assoziationen mit der eigenen Gegenwart hervorgerufen haben. Die Berichte von Augenzeugen der Ferrara von 1570 bis 1574 heimsuchenden Erdbeben schildern die Katastrophe als auf den Kopf gestellte Weltordnung. So berichtet Ligorio von den Ereignissen des Jahres 1570:

pareua chel cielo cadesse et la terrra insieme mancasse […] pareua che la terra, ad uso di onda di mare si muouesse et si gomfiasse et piegasse l’edificij con molto strepito et scussione, che infranse ogni edificio per tutta la citta […], et mentre le fabriche cadeuano in qualche parte graue horrore, profonda mestitia ricoperse l’animi et l’intelletto, si sentiuano gridare il popolo tutto Gesù Gesù ad alta uoce, perche pareua, che la citta fusse andata in profondo […], et nell’aere quel uapore che usci fuori della terra s’accese in fiamma, et cadeua nebia puzzulente di uapore d’acqua rarefatto, et spento dal uentoso et igneo et uentoso et secco. Bolleuano l’acque del po fiume, bolleuano quelle del castello Tialdo [=Tedaldo, Ph. F.], et quel del castello uecchio, et strepitauano […].77

Der Bericht lässt die zugrunde liegenden Narrative der Zerstörung Sodoms und des Weltendes erkennen, jedoch weisen die Darstellungsmittel zugleich Parallelen zu jener Umkehrung der Weltordnung auf, die die Adynata des Aminta auszeichnen. Naturgesetze scheinen außer Kraft gesetzt. Der einstürzende Himmel, die Erde, die an Festigkeit verliert und wie Wasser wird, Luft, die sich entzündet, Flüsse, die zu kochen anfangen – Ligorio erlebt die Katastrophe als das Eintreten von Naturunmöglichkeiten. Die Ereignisse des Herbstes 1570 liegen zur Zeit der Uraufführung des Aminta vermutlich keine drei Jahre zurück, zudem dauert die Welle von Erdbeben noch immer an. Mag das Reden vom mundus inversus auch topisch und gattungstypisch sein, im Aminta steht es doch auch immer vor dem Hintergrund der kollektiven Erfahrung, dass die vermeintliche Ordnung der Welt jederzeit zerbrechen kann. In seinem späteren, vermutlich 1585 entstandenen Dialog Malpiglio über den Zweifel und die Unsicherheit in der Welt lässt Tasso die Dialogpartner über das Eintreten von Erdbeben als besonders große Unwägbarkeit reden:

[Forestiero Napolitano:] Se dubbitiamo de le cose ch’appaiono sovra la terra e sono obietto del vedere, è più ragionevole ch’abbiamo dubbio di quelle che si generano sotto, fra le quali e ’l terremoto.

[…]

[Giovanlorenzo Malpiglio:] Di questa materia sono stati scritti libri intieri e pieni di molta dottrina in questa città, ne la quale il furore del terremoto fu più spaventevole che dannoso.

[Forestiero Napolitano:] Comunque sia, le cagioni di quelli effetti che si generano nel seno de la terra e sono ascosi a gli occhi nostri, portano seco molto dubbio e molta incertitudine.78

«Zweifel und Unsicherheit» gehören zu den Grunderfahrungen in einer Welt, deren Ordnung nur scheinbare Stabilität verspricht. Im Aminta bleibt der mundus inversus meist eine Angelegenheit des Redeschmucks. Insofern aber ist er präsent. Bedrohlich erscheint zudem nicht nur die Umkehrung der natürlichen Ordnung, sondern bedrohlich scheint diese Ordnung selbst.

Bedrohliche Ordnungen

Die Lebenswelt Amintas und Silvias ist keine Idylle, das macht der Text immer wieder deutlich. Bedrohungen für Leib und Leben gehören als integraler Bestandteil zu jener als natürlich verstandenen Ordnung, die im topischen Repertoire des Redeschmucks ebenso präsent ist wie auf der Ebene der Handlung und im unmittelbaren Umfeld der Figuren. Sie haben offenbar stets vor Augen, und auch das Publikum wird oft daran erinnert, dass es Räuber und Diebe gibt (1001, 1058), Schlangen (234, 240, 543, 740, 743), Wölfe (135, 349, 648, 1001, 1387–1406, 1490–1513), Bären (137, 740, 743, 774, 826), Eber (775, 799), Leoparden (1232), Tiger (200, 236, 240, 364, 826, 1055, 1553) und Löwen (237, 240, 364, 740, 743, 798, 1055, 1251), Blitze (1604), Schneeschmelzen (1062–1064) und andere Gefahren. Angesichts dieses Befundes erscheint die gewalttätige Figur des Satyrs nicht, wie Alfred Noe glaubt, als «eine vehemente Bedrohung der natürlichen Ordnung».79 Stattdessen ist diese Ordnung selbst bedrohlich.

Sogar der locus amoenus ist (wie allerdings oft) kein Ort ohne Schmerzen, denn es gibt Bienen dort (442) und Liebeskummer. Das ist keine Kleinigkeit. Der Satyr vergleicht die kleine Biene, die «col picciol morso / pur gravi e pur moleste le ferite» verursacht (724 f.), mit der Liebe. Auch die sei klein, verstecke sich in Details und mache doch «tanto grandi e sí mortali / e cosí immedicabili le piaghe.» (732 f.). Die Verbindung von Liebesschmerz und Tod ist hier, zu Beginn des zweiten Aktes, längst als Grundproblem des Stücks etabliert worden. Später verwendet auch Dafne das sprachliche Bild einer stechenden Biene:

Tu, in giusa d’ape che ferendo more
e ne le piaghe altrui lascia la vita,
con la tua morte hai pur trafitto al fine
quel duro cuor, che non potesti mai
punger vivendo. (1615–1619)

Das tertium comparationis ist ein anderes als im Monolog des Satyrs. Erst die vermeintliche Selbsttötung Amintas habe in Silvia jene Gefühle ausgelöst, die sie ihm zu Lebzeiten verweigert hat. Doch auch Dafne verknüpft den Stich einer Biene mit dem Suizid eines unerwidert Liebenden. Roberto Gigliucci hat die paradoxe Bedeutung der Selbsttötung für die Handlung des Aminta herausgearbeitet, die sich im Bild der am Stich sterbenden Biene wiederfindet: «La favola tassiana è tutta interna alla tradizione neoplatonica per cui la morte è vita, il precipitare è ascendere». «La nascita dell’amore in Silvia coincide con la reazione alle morte di Aminta, il cui precipizio è dunque fruttuoso, fecondo, perché semina amore.»80

Nicht erst zu diesem Zeitpunkt nach über der Hälfte des Stücks, sondern von Amintas Tirsi gegenüber geäußerten Suizidgedanken im ersten Akt über deren häufige Wiederholung, den geglaubten Tod Silvias, dann Amintas vermeintlichen Tod, Silvias Absicht zur Selbsttötung bis hin zu Silvias Beweinung des totgeglaubten Aminta im fünften Akt spielt der Tod über die gesamte Dauer des Stücks hinweg eine zentrale Rolle in der Motivation der Figuren. Dabei stellen Liebesschmerz, der Satyr und der Wolf die entscheidenden plot points bereit, die das Voranschreiten der Handlung ermöglichen. Die dauerhafte gedachte oder tatsächliche Bedrohung ist hier keine Zufälligkeit oder Nebensächlichkeit in einem sonst idyllischen Naturraum, sondern die ländliche Welt des Aminta ist grundsätzlich bedrohlich angelegt.

Selbst die vermeintlich oder wirklich beseelte Pflanzenwelt, die doch so gut zum idyllischen Bild einer pastoralen Lebensgemeinschaft passen könnte, scheint Silvia in Gefahrensituationen in den Rücken zu fallen. Der Baum, an den sie der Satyr mit ihren eigenen Haaren fesselt, handelt Tirsis Schilderung der Ereignisse zufolge geradezu mit Absicht: «E la pianta medesma havea prestati / legami contra lei, ch’una ritorta / d’un pieghevole ramo havea a ciascuna / de le tenere gambe» (1241–1244). Als Aminta sie losbindet, spricht er den Baum an: «Pianta crudel, potesti quel bel crine / offender tu, ch’a te feo tanto honore?» (1278 f.) Auch der Zweig, an dem sich Silvias Schleier auf ihrer Flucht vor dem Wolf verfängt, scheint selbstbestimmt zu agieren: «e d’altra parte il ramo / non cede e non mi lascia » (1519 f.) Der New Materialism und namentlich Jane Bennett haben für solch ein generelles Vermögen zum Handeln den Begriff agency geprägt.81 Im Sinne einer beseelten Natur sprechen die Figuren im Aminta wiederholt über Pflanzen, als würden sie selbstständig fühlen und handeln. Doch sympathetisch zeigt sich diese Natur darin nicht überall. Nimmt man Tirsis, Amintas und Silvias Reden von selbstständig agierenden Bäumen beim Wort, wachsen in Silvias Wald geradezu hinterhältige Pflanzen.

Die Natur des Aminta ist keine Heile-Welt-Idylle und kein Ort der sicheren Zuflucht vor Bedrohung und Katastrophe. Die Liebe mag darin allgegenwärtig sein, die Gefahr für Leib und Leben ist es aber auch. In Anbetracht der Handlung muss es so sein, denn erst der drohende Liebestod, der Satyr und das Wolfsrudel bringen das Geschehen voran. Jedoch sind am Ende zwei dieser drei Gefahren nicht gebannt. Nach allem, was das Publikum erfährt, wohnt der Satyr wohl weiter im Land der Nymphen und Hirten und die Wölfe leben weiter im Wald. Es ist eine ambivalente Landschaft, zu der der locus amoenus ebenso gehört wie die selva oscura, die so unübersichtlich ist, dass man einander darin verliert und plötzlich Wölfen begegnen kann (1397–1406). Stille Quellen gehören ebenso dazu wie reißende Bäche nach der Schneeschmelze, Berge mit musikalischen Felsen (1321) ebenso wie eine Felsenhöhe, von der sich ein Liebeskranker in den Tod stürzen will. Von manchen Pflanzen heißt es in der Figurenrede, sie würden sympathetisch mitfühlen, als Ansprechpartner und Vertraute fungieren, von anderen sprechen die Figuren, als würden sie ihnen in Gefahrensituationen in den Rücken fallen. Mit manchen Tieren und Pflanzen verbindet die Hirten und Nymphen wohl intime Vertrautheit, gegen manche müssen sie sich zur Wehr setzen, auf manche machen sie Jagd. Die Natur des Aminta erscheint nicht besonders fruchtbar oder mild und die Hirten und Nymphen zeigen insgesamt kaum einen besonders maßvollen oder achtsamen Umgang mit ihr.

Die Natur im Aminta zeichnet ein Bild zwischen Positivem und Schrecken. Sie ist darin nicht unähnlich den Personifikationen, mit denen Ripa und Ligorio die Natur vor Augen stellen: mit Milch spendenden Brüsten zwar, aber mit einem Geier auf der Hand; als versorgende Mutter, aber auch als Ausgangspunkt der Sintflut. Für die Zeitgenoss*innen, die das Stück sahen oder lasen, als in Ferrara Nachbeben an der Tagesordnung waren oder zumindest die kollektive Erfahrung der Katastrophe fest in der Erinnerung verankert gewesen sein muss, kann der Aminta keinen Eskapismus bedeutet haben. Er konfrontiert das Publikum wieder und wieder mit einer Natur, die Ordnung bietet – eine Ordnung, die Orientierung schafft, die rhetorisches und argumentatives Gewicht bekommen und praktische Bedeutung für das Handeln haben kann, die allzu häufig aber auch ein bedrohliches Moment hat und deren Umkippen in die Unordnung wiederholt zur Sprache kommt. Was Tassos Naturdarstellung auszeichnet, ist der Umgang mit Ambivalenz. Er zeigt einem Publikum, dem das Erdbeben noch in den Knochen sitzt, was es heißt, in der Natur, obwohl sie Gefahren birgt, Trost zu suchen.

  1. Vgl. u. a. Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, übers. von Gustav Roßler. Frankfurt a. M. 2007; ders.: Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie, übers. von Gustav Roßler. Frankfurt a. M. 2010; Robin Wall Kimmerer: Braiding Sweetgrass. Indigenous Wisdom, Scientific Knowledge and the Teachings of Plants. Minneapolis 2013.
  2. Der Text des Aminta wird im Folgenden zitiert nach der aktuellen textkritischen Ausgabe: Torquato Tasso: Aminta. Testo critico e nota al testo di Paolo Trovato, introduzione e commento di Davide Colussi. Torino 2021. Große Dienste leistete für meine Arbeit außerdem die zweisprachige Studienausgabe: Torquato Tasso: Aminta. Favola boschereccia / Ein Hirtenspiel. Italienisch / Deutsch, übers. und hg. von Jànos Riesz. Stuttgart 1995.
  3. János Riesz: «Nachwort». In: Torquato Tasso: Aminta. Favola boschereccia / Ein Hirtenspiel. Italienisch / Deutsch, übers. und hg. von Jànos Riesz. Stuttgart 1995, S. 243–260, hier S. 244.
  4. Vgl. Davide Colussi: «Introduzione». In: Torquato Tasso: Aminta. Testo critico e nota al testo di Paolo Trovato, introduzione e commento di Davide Colussi. Torino 2021, S. VII–XXXV, hier S. IX f.
  5. Übers. Riesz; «né passi quatro anni il quinto lustro» – Tirsi habe also den fünften Zeitraum von je fünf Jahren (lustro) noch nicht um vier Jahre überschritten.
  6. Vgl. zur Frage der Uraufführung ebd., S. XIII f.
  7. Vgl. Paolo Trovato: «Nota al testo». In: Torquato Tasso: Aminta. Testo critico e nota al testo di Paolo Trovato, introduzione e commento di Davide Colussi. Torino 2021, S. 199–279. Riesz nennt in seiner Ausgabe (S. 227) noch fälschlich den Druck Aldo Manuzios des Jüngeren in Venedig 1581 als editio princeps.
  8. Vgl. u. a. Riesz: «Nachwort», S. 247–251; Dante Della Terza: «La corte e il teatro. Il mondo del Tasso». In: ders., Pasquale S 1.atino und Giuseppina Scognamiglio (Hg.): «Nel mondo mutabile e leggiero». Torquato Tasso e la cultura del suo tempo. Napoli/Roma 2003, S. 20–30.
  9. Vgl. zum Folgenden Emanuela Guidoboni: «Riti di Calamità. Terremoti a Ferrara nel 1570–74». In: Quaderni storici 55 (1984), S. 107–135, https://www.jstor.org/stable/43777225 (letzter Zugriff: 12.8.2024); L. Sirovich und F. Pettenati: «Source inversion of the 1570 Ferrara earthquake and definitive diversion of the Po River (Italy)». In: Journal of Geophysical Research: Solid Earth 120 (2015), S. 5747–5763, https://doi.org/10.1002/2015JB012340 (letzter Zugriff: 12.8.2024); Raffaele Araneo: «Dal terremoto del 1570 alla rappresentazione dell’Aminta». In: Academia.edu (2015). https://www.academia.edu/33778443/Dal_terremoto_del_1570_alla_rappresentazione_dellAminta (letzter Zugriff: 14.7.2024).
  10. Guidoboni: «Riti di Calamità», S. 108 f. Das Zitat stammt aus den Aufzeichnungen des Rechtsgelehrten Matteo Bruni aus Rimini. – Weniger dramatisch, aber in der Beurteilung der kulturgeschichtlichen Relevanz ähnlich, klingt die jüngere Einschätzung der Geophysiker*innen Paola Albini, Gian Michele Calvi und Massimiliano Stucchi: «I terremoti in se stessi non furono particolarmente violenti, anche se ebbero la caratteristica di costituire una lunga sequenza, il cui cumulo di scosse fiaccò gli edifici e gli animi dei cittadini […]. Evidentemente, tuttavia, ebbero un forte impatto sugli eruditi e più in generale sulla cultura locale e del settentrione di Italia […].» Paola Albini, Gian Michele Calvi und Massimiliano Stucchi: «I terremoti di Ferrara del 1570–1574 e la fioritura di studi sulla storia sismica». In: ResearchGate 2012, https://www.researchgate.net/publication/235709126 (letzter Zugriff: 12.8.2024), S. 1.
  11. Azariah min-Ha’adumim 1571 über die Ereignisse des Jahres 1570, zit. in Guidoboni: «Riti di Calamità», S. 111.
  12. Vgl. Sirovich/Pettenati: «Source inversion of the 1570 Ferrara earthquake»
  13. Araneo: «Dal terremoto del 1570 alla rappresentazione dell’Aminta», S. 8 und 9.
  14. Karl Vossler: «Tassos Aminta und die Hirtendichtung» [1906]. In: ders.: Aus der romanischen Welt. Bd. 1. 2. Aufl. Leipzig 1940, S. 65–90, hier S. 67 f.
  15. So hat u. a. Klaus Garber nachhaltige Impulse gesetzt, die Bukolik nicht als weltfremde, sondern in hohem Maße welthaltige Literatur in den Blick zu nehmen und auf allgemeine und zeitaktuelle politische Implikationen zu achten. Vgl. u. a. Klaus Garber: Europäische Schäfer-, Landleben- und Idyllendichtung. Eine Einladung zum Lesen. Göttingen 2021; Klaus Garber: Arkadien. Ein Wunschbild der europäischen Literatur. München 2009.
  16. Heinrich von Kleist:Das Erdbeben in Chili. In: ders.: Sämtliche Erzählungen und andere Prosa. Stuttgart 2007, S. 164–182, hier S. 170.
  17. Johann Gottfried Herder: Kritische Wälder, oder Betrachtungen über die Wissenschaft und Kunst des Schönen. Viertes Wäldchen über Riedels Theorie der schönen Künste [1769]. In: ders.: Werke in zehn Bänden. Bd. 2: Schriften zur Ästhetik und Literatur 1767–1781, hg. von Gunter E. Grimm. Frankfurt a. M. 1993, S. 247–442, hier S. 426. Die Stelle gibt Anknüpfungspunkte für verschiedene Naturbegriffe gesehen vom Horizont des 18. Jahrhunderts: «Kein Wort in der menschlichen Sprache ist vieldeutiger, als Natur: unzählich sind fast die Irrtümer, Mißdeutungen, Zänkereien, die über φυσις, ov, υποστασις, εντελεχεια, natura, forma substantialis, essentia, Natur, Stand der Natur, in der Philosophie entstanden sind».
  18. Jörn Sieglerschmidt und Birgit Biehler: Art. «Natur». In: Enzyklopädie der Neuzeit, im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachwissenschaftlern hg. von Friedrich Jaeger. Bd. 8: Manufaktur – Naturgeschichte. Stuttgart/Weimar 2008, Sp. 1133–1159, hier Sp. 1134.
  19. Raymond Williams: «Ideas of Nature». In: ders.: Problems and Materialism and Culture. 2. Aufl. London 1982, S. 67–85, hier S. 67.
  20. Über diese Doppelgesichtigkeit der Naturdarstellung im italienischen Cinquecento und darüber hinaus vgl. Bärbel Küster: «The English Ripa. Wissens- und Sammlerkultur am Beispiel der Natura in der britannischen Emblemtradition des 18. Jahrhunderts». In: Cesare Ripa und die Begriffsbilder der Frühen Neuzeit, hg. von Cornelia Logemann und Michael Thimann. Zürich 2011, S. 117–147; Wolfgang Kemp: Natura. Ikonographische Studien zur Geschichte und Verbreitung einer Allegorie. Frankfurt a. M. 1973.
  21. Cesare Ripa: Iconologia, a cura di Sonia Maffei, testo stabilito da Paolo Pocaccioli. Torino 2012, S. 417.
  22. Vgl. Kemp: Natura, S. 19.
  23. Einen Überblick über die Naturphilosophie der Renaissance und ihre antiken Einflüsse gibt Paul Richard Blum: «Natur im Denken der Renaissance». In: Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit. Teil 1, hg. von Hartmut Laufhütte et al. Wiesbaden 2000, S. 289–300.
  24. Dieses und die folgenden beiden Zitate: Williams: «Ideas of Nature», S. 71.
  25. Vgl. Sonia Maffei: «Commento». In: Cesare Ripa: Iconologia, a cura di Sonia Maffei, testo stabilito da Paolo Pocaccioli. Torino 2012, S. 615–850, hier S. 767.
  26. Vgl. in der Enciclopedia on line (Enciclopedia Italiana di scienze, lettere ed arti), hg. vom istituto della Enciclopedia Italiana fondata da Giovanni Treccani die Einträge «Tasso, Torquato», https://www.treccani.it/enciclopedia/torquato-tasso/ und «Èste, Ippolito II d’», https://www.treccani.it/enciclopedia/ippolito-ii-d-este/ sowie den Art. «CARTARI, Vincenzo». In: Dizionario Biografico degli Italiani, hg. von dems. Istituto. Bd. 20 (1977), https://www.treccani.it/enciclopedia/vincenzo-cartari_(Dizionario-Biografico)/ (letzter Zugriff jeweils: 8.7.2024).
  27. Vincenzo Cartari: Le Imagini de i Dei de gli Antichi nelle qvali si contengono gl’Idoli, Riti, ceremonie, & altre cose appartenenti alla Religione de gli Antichi. In Venetia: appresso Vincentio Valgrisi 1571. Digitalisat der UB Heidelberg: https://doi.org/10.11588/diglit.70019#0005 (letzter Zugriff: 10.7.2024), S. 118.
  28. Vgl. Leopold Ettlinger: Art. «Diana von Ephesus». In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. III (1954), Sp. 1438–1441; in: RDK Labor. https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89008 (letzter Zugriff: 8.7.2024); P. Michel: Die vielen Brüste der Natur. Artemis/Diana von Ephesos, die Vielbrüstige. Website der Schweizerischen Gesellschaft für Symbolforschung/Société Suisse de Recherches en Symbolique. http://www.symbolforschung.ch/Natura.html (publiziert zuerst 2016, Stand 2022, letzter Zugriff: 8.7.2024), jeweils mit Hinweis auf weitere Literatur.
  29. Vgl. zum Folgenden, auch zum Zusammenhang des Wasserorgel-Brunnens, Isabella Barisi und Dora Catalano: Die Villa d’Este. Rom 2004, S. 64–66 und 78 f.; Andrea Goesch: Diana Ephesia. Ikonographische Studien zur Allegorie der Natur in der Kunst vom 16.–19. Jahrhundert. Frankfurt a. M. u. a. 1995, S. 103–110.
  30. Zu den Namen in Varianten wie «Fontana della Natura», «fontana della matre natura» und «Fontana del Deluvio» vgl. Barisi/Catalano: Die Villa d’Este, S. 64 sowie, detaillierter, Goesch: Diana Ephesia, S. 105 f.
  31. Vgl. Goesch: Diana Ephesia, S. 107–110.
  32. «Im Programm der Gartenfiguren der Villa d’Este in Tivoli ist die Statue der Natur ganz an den untersten, letzten Rand der Anlage beiseite gedrängt, vor ihr in der Bedeutungsstufe kommen alle übrigen Götter und Gestalten.» So charakterisiert ganz entsprechend Franzsepp Würtenberger die Stellung der Diana im Gesamtzusammenhang des Gartens, ist sich aber nicht bewusst, dass sie ursprünglich an anderer Stelle stand. Franzsepp Würtenberger: Der Manierismus. Der europäische Stil des sechzehnten Jahrhunderts. Wien/München 1962, S. 226.
  33. Vgl. besonders Goesch: Diana Ephesia, S. 109 f., die die Bedeutung der Diana-Statue als «Prinzip der produktiven Natur», «Ursprung des Lebens» und «Natura naturans» deutet, ohne aber an dieser Stelle die andere Seite ihrer Rolle zu würdigen. Nach der Deutung von Barisi/Catalano: Die Villa d’Este, S. 73, sollten angefangen beim «Brunnen der Sintflut» der «ewige[] Kreislauf der Natur» und der Weg des Wassers von der Quelle bis zum Ozean symbolisiert werden.
  34. C. S. Lewis: Studies in Words. 2. Aufl. Cambridge 2002, S. 24. Williams: «Ideas of Nature», bespricht die natura rerum auf S. 68.
  35. Von ἀμύνω, ‹einen Angriff abwehren›. Vgl. den Hinweis u. a. bei Araneo: «Dal terremoto del 1570 alla rappresentazione dell’Aminta», S. 7.
  36. In einigen der frühen Drucke wurden zwischen den Akten Intermezzi sowie zum Schluss ein Epilog mit dem Auftreten der Venus auf der Suche nach ihrem Sohn eingefügt. Diese Zutaten finden sich in Riesz’ Studienausgabe, gelten aber in den modernen Ausgaben bis zur neuesten textkritischen Edition von Colussi und Trovato normalerweise «nicht als integraler Bestandteil des Stücks» (so Riesz, S. 224, über den Epilog). In meiner Analyse lasse ich sie deshalb weitgehend außen vor.
  37. Nicht mitgezählt die Nennung im später hinzugefügten zweiten Intermezzo (dort V. 1). Die acht Stellen werden im Folgenden besprochen: V. 370, 674, 681, 710, 796, 802, 848 und 1184.
  38. Kursivierung Ph. F.
  39. «in breve spatio / s’adira e ’n breve spatio poi si placa / femina, cosa mobil per natura / più che fraschetta al vento, e più che cima / di pieghevole spiga.» (367–371).
  40. Peter Prechtl: «Naturalismus, ethischer». In: Peter Prechtl und Frank-Peter Burkard (Hg.): Metzler-Lexikon Philosophie. Begriffe und Definitionen. 3. Aufl. Stuttgart/Weimar 2008, S. 403.
  41. In der Ausgabe von Colussi/Trovato heißt es abweichend von den anderen üblichen Ausgaben «maestro è la natura». Für «maestra» vgl. etwa die Riesz’ Studienausgabe zugrundeliegende Ausgabe: Torquato Tasso: Opere, a cura di Bortolo Tommaso Sozzi. Vol. 2: Dal Rinaldo, dalle Rime, Aminta, Il re Torrismondo, Rogo amoroso, dal Mondo creato. 2. Aufl. Torino 1966.
  42. Williams: «Ideas of Nature», S. 71.
  43. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Torquato Tasso. In: ders.: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Bd. 5: Klassische Dramen. Iphigenie auf Tauris, Egmont, Torquato Tasso, hg. von Dieter Borchmeyer. Frankfurt a. M. 1988, S. 731–834, hier S. 761 (V. 994).
  44. vgl. bspw. den von Panofsky besprochenen Brief Galileos an Lodovico Cigoli vom 16. Juni 1612 über die Nachahmung der «Bildhauerin Natur», der «natura scultrice», in der Bildhauerei und Malerei (in Gänze zit. in: Erwin Panofsky: Galileo Galilei und die Bildkünste, vorgestellt von Horst Bredekamp, aus dem Englischen von Heinz Jatho. Zürich 2012, S. 55–61, hier S. 57 u. 60).
  45. Riesz passt seine Übersetzung dem grammatischen Geschlecht des deutschen Wortes ‹Ehre› an: «Du, Herrin Amors und der Menschennatur». Zu dieser übersetzerischen Strategie vgl. mit einem weiteren Beispiel Achim Aurnhammer: «Tasso, Aminta. Favola boschereccia. Ein Hirtenspiel.» Italienisch/Deutsch. Übers. und hg. von János Riesz […]. (Rezension). In: Romanische Forschungen 110 (1998), S. 157–159, hier S. 158.
  46. Vgl. V. 656–666: «O bella età de l’oro, / non già perché di latte / sen corse il fiume e stilò mele il bosco; / non perché i frutti loro / dier da l’aratro intatte / le terre, e i serpi errar senz’ira o tosco; / non perché nuvol fosco / non spiegò allhor suo velo, / e ’n primavera eterna, / c’hora s’accende e verna, / rise di luce e di sereno il cielo».
  47. Lisa Sampson: The Pastoral Drama in Early Modern Italy. The Making of a New Genre. London/New York 2006, S. 77.
  48. Ebd., S. 79.
  49. «Jedoch, wenn der Trieb sich selbst genügte, so wäre Gewalt die kürzeste Verführungskunst. Hier überstürzen sich die Ereignisse durch den Eingriff einer Naturgewalt unter der Form des Satyrn.» Vossler: «Tassos Aminta und die Hirtendichtung», S. 86.
  50. Zu den Begriffen vgl. Garber: Europäische Schäfer-, Landleben- und Idyllendichtung, S. 12–14
  51. Evi Zemanek: «Bukolik, Idylle und Utopie aus Sicht des Ecocriticism». In: Gabriele Dürbeck und Urte Stobbe (Hg.): Ecocriticism. Eine Einführung. Köln/Weimar/Wien 2015, S. 187–204, hier S. 187; die folgenden zwei Zitate S. 189.
  52. Vgl. außerdem insb. Garber: Arkadien, S. 33–42.
  53. Ebd., S. 39.
  54. Text und Übersetzung nach: P. Vergilius Maro: Bucolica Hirtengedichte. Studienausgabe Lateinisch/Deutsch, übers. und hg. von Michael von Albrecht. Stuttgart 2001, S. 6 f.
  55. Vgl. den Stellenkommentar in Tasso: Aminta, hg. von Colussi und Trovato, S. 109. Alfonso werde auf diese Weise nicht nur zum Gott gemacht, sondern mit Augustus verglichen.
  56. Stellenkommentar in Tasso: Aminta, hg. von Colussi und Trovato, S. 110: «si enumerano, trasposti in chiave pastorale, i vari uffici di governo», nämlich «compiti militari», «mansioni giudiziarie», «compiti amministrativi» und «mansioni annonarie».
  57. Vgl. Eckhard Fuhr: Schafe. Ein Portrait. Berlin 2017, S. 39 f. und 53–61.
  58. Die einmal erwähnte «villanella» (1057) muss nicht mit Riesz als «Bauernmädchen» verstanden werden, sondern kann auch bloß ein rural geprägtes, ‹bäuerliches› Mädchen meinen.
  59. Vgl. außer V. 1001 auch V. 1058, wo von bewaffneten Räubern die Rede ist, die Silvia umzingeln könnten.
  60. V. 60 f.: «quando lei tenerella ei tenerello / seguiva nelle caccie e ne’ diporti»; in V. 102 nennt Silvia die Jagd ihren Zeitvertreib («’l mio trastullo») und in V. 107 ihr Vergnügen (wenn sie jagen könne, mangele es ihr nicht an «diporti»); Dafne erzählt, das Fallenstellen sei früher ihr größtes Vergnügen gewesen, «il mio sommo gusto (hor me n’aveggio, / gusto da sciocca)», 144 f.); Aminta erzählt, er habe als Kind («fanciulletto», 400) mit Silvia zusammen gejagt und Fallen aufgestellt und sie hätten das Vergnügen («’l diletto», 420) geteilt; als eine Jagd im Eichenwald festgesetzt ist, kommen «molte ninfe» zusammen (1386).
  61. Noch weitere Intertexte nennen die Stellenkommentare von Riesz (S. 192) und Colussi/Trovato (S. 72).
  62. Zemanek: «Bukolik, Idylle und Utopie», S. 188; vgl. zur sympathetischen Natur ebd.
  63. Leonard Forster: The Icy Fire. Five Studies in European Petrarchism. Cambridge 1969, S. 21. Vgl. ausführlicher Klaus Garber: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln/Wien 1974, S. 277–285; mit Blick auf den Aminta bspw. Christiane Caemmerer: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit. Deutsche Schäferspiele des 17. Jahrhunderts dargestellt in einzelnen Untersuchungen. Stuttgart/Bad Cannstatt 1998, S. 43.
  64. «Queste selve hoggi ragionar d’Amore / s’udranno in nova giusa» (76 f.). Riesz übersetzt: «In diesen Wäldern wird man heute von Amor / in neuer Weise reden hören»; Emil Staiger: «Auf neue Weise hören diese Haine / Von Amor heute reden.» (Torquato Tasso: Amyntas. In: ders.: Werke und Briefe, übers. und hg. von Emil Staiger. München 1978, S. 71–133, hier S. 75).
  65. Dazu vgl. im Einzelnen die Stellenkommentare von Riesz und Colussi/Trovato.
  66. In der Terminologie Genettes. Vgl. Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, übers. von Wolfram Bayer und Dieter Hornig. Frankfurt a. M. 1993, S. 10 f. und 13 f.
  67. Vgl. Zemanek: «Bukolik, Idylle und Utopie», S. 189. Einen knappen Überblick über Forschungsansätze zur Bukolik als metapoetischer Gattung vgl. Garber: Europäische Schäfer-, Landleben- und Idyllendichtung, S. 21 f.
  68. Zemanek: «Bukolik, Idylle und Utopie», S. 189.
  69. Heinrich Lausberg: Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie. 9. Aufl. München 1987, S. 68, § 189, 3b. Ähnlich definieren den Begriff Gero von Wilpert: «Sonderform der Periphrase, die Umschreibung des Begriffs ‹niemals› durch eine Naturunmöglichkeit», und Gunter E. Grimm: «emphatische Umschreibung (Periphrase) des Begriffes ‹niemals› durch Berufung auf das Eintreten eines unmöglichen (Natur-)Ereignisses» (Gero von Wilpert: «Adynaton». In: ders.: Sachwörterbuch der Literatur. 8. Aufl. Stuttgart 2001, S. 7; Gunter E. Grimm: «Adynaton». In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen, begr. von Günther und Irmgard Schweikle, hg. von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moenninghoff. 3. Aufl. Stuttgart/Weimar 2007, S. 6). Vgl. umfassender zur unterschiedlichen systematischen Einordnung des Adynatons in der Rhetorik Hans Jürgen Scheuer: «Adynaton». In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1: A–Bib. Darmstadt 1992, Sp. 139–141.
  70. Ernest Dutoit: Le thème de l’adynaton dans la poésie antique. Paris 1936, S. ix. Vgl. daran anschließend Galen O. Rowe: «The Adynaton as a Stylistic Device». In: The American Journal of Philology 86 (1965), S. 387–396, hier S. 387.
  71. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 5. Aufl. Bern/München 1965, S. 105.
  72. Vgl. im Einzelnen die Stellenkommentare von Riesz und Colussi/Trovato zu den im Folgenden angeführten Versen. Zum Petrarkismus vgl. Joseph G. Fucilla: «Petrarchism and the Modern Vogue of the Figure ΑΔΥΝΑΤΟΝ». In: Zeitschrift für romanische Philologie 56 (1936), S. 671–681.
  73. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, S. 192.
  74. Vgl. die Stellenkommentare von Riesz und Colussi/Trovato zu diesen Versen; außerdem bspw. Della Terza: «La corte e il teatro».
  75. Vgl. Bruno Snell: «Arkadien. Die Entdeckung einer geistigen Landschaft». In: ders.: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. 4. Aufl. Göttingen 1975, S. 257–274, hier S. 264: «das Nebeneinander und Ineinander von Wirklichem und Mythischem ist charakteristisch für alles Arkadische».
  76. Vgl. auch V. 73 f., 443 u. ö.
  77. Pirro Ligorio: Delle Antichità, vol. 28: Libro di diversi terremoti, Archivio di Stato di Torino J.a.II.15. https://archiviodistatotorino.beniculturali.it/bibl_detl/?id=300159 (letzter Zugriff: 11.8.2024), fol. 73v–74r. Vgl. außerdem die wissenschaftliche Ausgabe: Pirro Ligorio: Edizione nazionale delle opere. Vol. 28: Libro di diversi terremoti, a cura di Emanuela Guidoboni. Roma 2005.
  78. Torquato Tasso: Il Malpiglio secondo, overo del fuggir la moltitudine. In: ders.: Dialoghi. Vol. 2, a cura di Giovanni Baffetti. Milano 1998, S. 619–663, hier S. 645 f. Vgl. zu dieser Stelle Emanuela Guidoboni und Jean-Paul Poirier: Storia Culturale del terremoto dal mondo antico a oggi. Soveria Mannelli 2019, S. 240 f.
  79. Alfred Noe: «Torquato Tasso und die pastorale Tradition in Westeuropa». In: Sebastian Schütze und Maria Antonietta Terzoli (Hg.): Tasso und die bildenden Künste. Dialoge, Spiegelungen, Transformationen. Berlin/Boston 2018, S. 37–65, hier S. 43.
  80. Roberto Gigliucci: «Precepitando Aminta ascende». In: ders.: Giù verso l’alto. Luoghi e dintorni tassiani. Manziana (Roma) 2004, S. 9–34, hier S. 18 und 32; zum Bild der Biene vgl. ebd., S. 32 f.
  81. Vgl. die pointierte Definition von Greg Garrard: Ecocriticism. 3. Aufl. London/New York 2023, S. 221: «Agency: the capacity to act. Western thought typically reserves agency for living beings that act autonomously, or sentient beings that act intentionally, whereas New Materialists argue that all matter possesses agency of some kind.»