Horizonte Ausgabe 8 Titelkunst
Artikel

Il ‹Grimm italiano›?
Zu Italo Calvinos literarischen Verfahren in seinen Fiabe italiane

Ludger Scherer

Italo Calvino (1923–1985) feiert in diesem Jahr seinen einhundertsten Geburtstag, ist jedoch von der persönlichen Teilnahme an den Festlichkeiten, die entsprechend in Italien zu seinen Ehren stattfinden,1 im Einklang mit den Usancen des Oulipo entschuldigt.2 Der Autor übte «einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der italienischen Literatur aus»,3 wie auch die deutsche Italianistik attestiert, gleichwohl sind wissenschaftliche Studien oder Symposien zu Calvino in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum eher Seltenheit.4 Auch an dieser Stelle kann es schon allein aus Raumgründen nicht darum gehen, Calvinos Gesamtwerk zu würdigen und die Aktualität seines literarischen Einflusses umfassend zu beleuchten. Vielmehr soll ein – allerdings exemplarischer – Ausschnitt seines Schaffens untersucht werden: seine Anthologie Fiabe italiane (1956), die in einer Epoche des literarhistorischen, politischen und persönlichen Umbruchs entstand. In der Calvino-Forschung findet diese Sammlung häufig Erwähnung im Kontext des fiabesco, das den Stil des Autors charakterisiere und schon frühere und besonders spätere Werke Calvinos präge.5 Eine vollumfängliche Neu-Interpretation dieser gängigen Hypothese kann hier zwar nicht erfolgen, konkret wird es aber darum gehen, am Beispiel der Rotkäppchen-Sequenz in den Fiabe italiane die literarischen Verfahren des Autors und Folkloristen Calvino zu analysieren. Der Titel des Beitrags rekurriert schließlich auf die verbreitete Bezugnahme auf die Brüder Grimm, die Calvinos Märchensammlung seit ihrer Entstehung begleitet; zum Abschluss werden also Pertinenz und Funktion dieser Attribution kritisch hinterfragt.

1. Calvinos Positionierung im literarisch-folkloristischen Feld

Die Fiabe italiane raccolte dalla tradizione popolare durante gli ultimi cento anni e trascritte in lingua dai vari dialetti, wie der ausführliche programmatische Titel lautet, eröffnet Italo Calvino 1956 mit einer ausführlichen Introduzione, in der er Rechenschaft ablegt über Genese und Faktur seiner Sammlung und deren folkloristische Quellen erläutert. Zusammen mit den umfangreichen Note zu den 200 Märchen und der Bibliografia bilden diese Paratexte einen Kommentarteil mit wissenschaftlichem Anspruch, der nicht alle Rezipient*innen gleichermaßen interessieren wird und auf die Mehrfachadressiertheit der Anthologie hinweist.6 Diese Einleitung ist in vier ungleich lange Abschnitte unterteilt, deren wichtigste Elemente hier kurz vorgestellt werden, um dieses bedeutsame Selbstzeugnis Calvinos würdigen und kontextualisieren zu können.

Im ersten Teil Un viaggio tra le fiabe geht Calvino zunächst auf den verlegerischen Anstoß zu seiner Arbeit ein, die einen Mangel auf dem zeitgenössischen italienischen Buchmarkt beheben sollte: «si voleva pubblicare, accanto ai grandi libri di fiabe popolari straniere, una raccolta italiana. Ma che testo scegliere?» (FI 5).7 Die Reihe I Millenni des Verlags Einaudi mit einem italienischen Märchenband zu bereichern,8 erwies sich als schwieriger als gedacht, und die von Calvino rhetorisch formulierte Frage «Esisteva un ‹Grimm italiano›?» (FI 5) ließ keine positive Antwort erwarten. Dabei entstanden die frühsten schriftlichen Märchensammlungen bekanntlich in Italien, aber die erwähnten Werke Straparolas, Basiles und Gozzis stellen in den Augen Calvinos keine echten Volksmärchen dar, «era un divertimento grave e sforzato» (FI 5).9 Was Frankreich anbelangt, schreibt er einerseits Charles Perrault die Gründung der Gattung zu, kritisiert aber andererseits die dortige Feenmärchenmode adeliger Autorinnen als Tod des Märchens.10 Ambivalent ist auch die Verbindung der Wiedergeburt der Gattung mit den Brüdern Grimm im Kontext der deutschen Romantik formuliert, die sich als «cupa e truculenta» (FI 6) abqualifiziert findet. Erst im Zuge des Positivismus entstanden auch in Italien eine Anzahl folkloristischer Märchensammlungen, die Calvino zwar ansatzweise differenziert, insgesamt jedoch als «patrimonio destinato a fermarsi nelle biblioteche degli specialisti, non a circolare in mezzo al pubblico» (FI 7) bewertet, und seine eingangs formulierte Frage damit endgültig negativ beantwortet: «Un ‹Grimm italiano› non venne alla luce» (FI 7).

Bereits in den ersten Absätzen seiner Einleitung lässt Cavino also einige wichtige Aspekte seiner Herausgebertätigkeit erkennen, nicht zuletzt die insistente Bezugnahme auf die Brüder Grimm, der an späterer Stelle näher nachgegangen wird, sowie die doppelte Distanzierung sowohl von der italienischen Folkloristik wie von der dominierenden europäischen Märchenliteratur – mit teils nationalklischeeverdächtiger Brachylogie. Außerdem fällt die wertende Gegenüberstellung von gelehrter Sammeltätigkeit und ästhetischer Qualität, von volkskundlichen Quellen und literarischer Popularität ins Auge, die im Fazit kondensiert wird: «Ma la gran raccolta delle fiabe popolari di tutta Italia, che sia anche libro piacevole da leggere, popolare per destinazione e non solo per fonte, non l’abbiamo avuto» (FI 8).

Es ist überdies deutlich geworden, dass für Calvino das ‹Volk› eine zentrale Kategorie darstellt, durchaus in Anlehnung an den zuvor auf Deutsch zitierten «Volksgeist» (FI 6) der Romantik, jedoch eher postromantisch und vor allem kommunistisch inspiriert. Als junger Partisanenkämpfer war Calvino 1944 in den Partito Comunista Italiano eingetreten und hatte sich in der Folge in der Partei engagiert, wie die gesamte (italienische) Nachkriegszeit kulturell ja linksideologisch geprägt war.11 Die zunehmenden Divergenzen des eher anarchistisch eingestellten und geistig unabhängigen Intellektuellen mit dem Parteiapparat führten dann in der Folge des Ungarnaufstandes zum Bruch mit den Genossen und 1957 zum Parteiaustritt Calvinos.12 Damit soll keiner biographistischen Deutung das Wort geredet werden, die Beschäftigung mit den Fiabe italiane findet jedoch in einer Zeit politisch-intellektueller Krisen und des persönlichen wie poetologischen Umbruchs statt, sie atmet noch erkennbar die ideologische Valorisierung des popolo als wahren Kulturträger und zeugt von der schwierigen Loslösung von ideologischen ‹Selbstverständlichkeiten›. Calvino plädiert demnach für Volksmärchen in jeder Hinsicht, was seine eigene Märchensammlung entscheidend prägen wird.

Der konstatierte Negativbefund über die italienische Märchenvergangenheit mündet indes in den praktischen Arbeitsauftrag an Calvino, den Kairos zu nutzen:13 «Stando così le cose, si venne nell’idea che lo dovessi fare io» (FI 8). Der Einleitungstext nimmt an dieser Stelle eine deutlich persönliche Wendung, Calvino schlägt statt polemischer Distanzierung einen überwiegend poetischen Tonfall an, um seine ganz eigene ‹Märchenreise› zu erzählen. Die gewählte Metaphorik ist aquatisch, die Rede ist von einem «salto a freddo [...] in un mare» (FI 9), einen «mondo sottomarino» (FI 10) der Märchenforschung, in den er sich unvoreingenommen und ohne doktrinäre Prämissen14 begeben habe und der ob seiner Unvertrautheit gar Zweifel an der persönlichen Eignung aufkommen ließ. Bereits an diesem Punkt deutet Calvino jedoch auf eine intrikate Verbindung zur Märchengattung, «un fatto che mi legava alle fiabe» (FI 10) hin, die er später erklären werde. Zuvor jedoch berichtet er eindringlich vom Sog, den die Arbeit am Märchen in ihm auslöste, von der Manie der Klassifikation, die schließlich in die glückliche Erkenntnis des Reichtums der italienischen Märchentradition und den Wunsch, das Gefundene mitzuteilen, münden. In Weiterführung der aquatischen Bildlichkeit beschreibt er seinen Zustand während der Sammeltätigkeit als «catturato dalla natura tentacolare, aracnoidea dell’oggetto del mio studio» (FI 11). Die wissenschaftliche Immersion in die Märchenwelt lässt Calvino einerseits ihr ‹Geheimnis›, «sua proprietà più segreta: la sua infinita varietà ed infinita ripetizione» (FI 11) erkennen, andererseits im Vergleich mit der europäischen Märchenliteratur nicht ohne Nationalstolz die Einzigartigkeit der italienischen Tradition hervorheben: «questo fondo fiabistico popolare italiano è d’una ricchezza e limpidezza e variegatezza e ammicco tra reale e irreale da non fargli invidiar nulla alle fiabistiche più celebrate dei paesi germanici e nordici e slavi» (FI 11). Dabei erwähnt Calvino in Vorgriff auf den letzten Abschnitt der Einleitung bereits einige «generali qualità di grazia, spirito, sinteticità di disegno, modo di comporre o fissare nella tradizione collettiva un dato tipo di racconto» (FI 11) der italienischen Volksmärchenüberlieferung, wie er sie sieht.

Der gesamte letzte Teil dieses ersten Abschnitts ließe sich als Beleg für die Verzauberung zitieren, die Calvino bei seiner Arbeit erfahren habe und die er nun in den Stil seines Berichts einfließen lässt.15 Nicht zu Unrecht stellt der Autor sich die Frage, wie er nach Abschluss des Projekts wieder in die Realität zurückkehren könne, die er zwei Jahre lang magisch verändert erlebt habe, wie er in Abwandlung des Pandora-Mythos formuliert: «Ogni poco mi pareva che dalla scatola magica che avevo aperto, la perduta logica che governa il mondo delle fiabe si fosse scatenata, ritornando a dominare sulla terra» (FI 12). An dieser Stelle greift Calvino nun die zuvor angedeutete persönlich-poetologische Verbindung zum Märchen auf, «quell’unica convinzione mia che mi spingeva al viaggio tra le fiabe; ed è che io credo questo: le fiabe sono vere» (FI 12–13). Die provokante paradoxe Formulierung bedarf natürlich der Präzisierung: Wahr sind Märchen für Calvino in dem Sinne, dass sie eine Kasuistik des menschlichen Lebens in seinen entscheidenden Momenten und Stationen repräsentieren, «il catalogo dei destini che possono darsi a un uomo e a una donna» (FI 13) und damit auch und vor allem «una spiegazione generale della vita» (FI 13) und der ewigen Metamorphosen aller Lebensformen, «la sostanza unitaria del tutto, uomini bestie piante cose, l’infinita possibilità di metamorfosi di ciò che esiste» (FI 13).16

Nach diesen persönlichen Bekenntnissen und existentiellen Einsichten gibt Calvino im zweiten Abschnitt unter dem Titel Criteri del mio lavoro einen etwas prosaischeren Einblick in seine Methodik. Wieder bilden die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm den Referenzpunkt für Calvinos eigene Arbeit am Märchen, er sieht ihre Sammeltätigkeit am Beginn des «metodo di trascrizione delle fiabe ‹dalla bocca del popolo›» (FI 13) und qualifiziert das Vorgehen der Grimms gleichzeitig kritisch als halbwissenschaftlich nach «heutigen» Maßstäben der wortgetreuen stenographischen Transkription oraler Quellen.17 Das im Folgenden weiterhin kritisch beschriebene Vorgehen der deutschen Vorbilder bildet bei aller volkskundlichen Distanznahme jedoch Basis und Absicherung für das eigene Verfahren Calvinos,18 nicht zuletzt unter künstlerischen Gesichtspunkten: «i Grimm (particolarmente Wilhelm) lavorarono molto di testa loro, non solo traducendo gran parte delle fiabe dai dialetti tedeschi, ma integrando una variante con l’altra, rinarrando dove il dettato era troppo rozzo, ritoccando espressioni e immagini, dando unità di stile alle voci discordanti» (FI 14). Die genannten Aspekte der Übersetzung, Quellenkontamination und erzählerischen Formung im Sinne einer Stileinheit werden entsprechend in Calvinos eigenes Arbeitsprogramm aufgenommen werden. Der Autor verbleibt auch bei seinem distanzierenden Duktus, wenn es um die Wissenschaftlichkeit des eigenen Vorgehens geht, die er nur zu 75 % gegeben sieht und das zudem bezogen auf die Vorarbeiten der Folkloristen, nicht auf seine eigene Arbeit, die von «natura ibrida» (FI 14) sei.19 Wenn jedoch ausschließlich die Quellen wissenschaftlich zu nennen sind und das übrige Viertel «frutto d’arbitrio individuale» (FI 14) des Herausgebers ist, dann wäre Calvinos Werk nicht hybrid, sondern eigentlich komplett unwissenschaftlich – was sicher nicht zutrifft. Sogar die gestrenge Rezension des folkloristischen Märchenforschers Anderson gesteht ihm zu, dass «höchstens ein Viertel der ganzen Leistung wissenschaftlichen Charakter trägt».20 Calvinos Position changiert hier ersichtlich zwischen topischer Bescheidenheit des Nicht-Spezialisten und Hybris des volksnahen Künstlers der positivistischen Sammeltätigkeit gegenüber.

Calvinos Ausgangsmaterial bilden nämlich folkloristische Märchensammlungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die er im folgenden dritten Abschnitt der Einleitung ausführlich vorstellt, an dieser Stelle jedoch bereits als «materia prima» (FI 14) charakterisiert, was ja, nicht nur im alchemistischen Verständnis des Begriffs, eine Bearbeitung des Rohstoffs selbstverständlich impliziert. Das Verhältnis der Textbearbeitungsstufen fasst Calvino dann in das Bild des Pfropfens,21 was wiederum alle widersprüchlichen Aspekte seiner Position mitschwingen lässt, von der landwirtschaftlich volkstümlichen Etymologie über die affektiert bescheidene Relativierung des eigenen Arbeitsanteils bis zur implizierten Superiorität des Ergebnisses dieser vinifikatorischen Veredelung. Sein «programma di lavoro» (FI 15) im Anschluss an die Klassifikation der Märchen beschreibt Calvino in Anlehnung an die Brüder Grimm dann folgendermaßen:

scegliere da questa montagna di narrazioni, sempre le stesse (riducibili all’ingrosso a una cinquantina di tipi) le versioni più belle, originali e rare; tradurle dai dialetti in cui erano state raccolte (o dove purtroppo ce n’è giunta solo una traduzione italiana – spesso senz’alcuna freschezza d’autenticità – provare – spinoso compito – a rinarrarle, cercando di rifondere in loro qualcosa di quella freschezza perduta); arricchire sulla scorta delle varianti la versione scelta, quando si può farlo serbandone intatto il carattere, l’interna unità, in modo da renderla più piena e articolata possibile; integrare con una mano leggera d’invenzione i punti che paiono elisi o smozzicati; tener tutto sul piano d’un italiano mai troppo personale e mai troppo sbiadito, che per quanto è possibile affondi le radici nel dialetto, senza sbalzi nelle espressioni ‹colte›, e sia elastico abbastanza per accogliere e incorporare dal dialetto le immagini, i giri di frase più espressivi e inconsueti. (FI 14–15)

Selektion, Übersetzung, Kontamination und kreative Komplettierung der verschriftlichen oralen Quellen münden bei Calvino demnach in eine stilistische Feinarbeit am ‹Märchenton›, immer unter der Prämisse einer ursprünglichen authentischen freschezza der populären Überlieferung, die es zu rekonstruieren und restituieren gelte. Denn der Rückgriff auf folkloristische Märchensammlungen erfolgt nur unter Bedauern, dass dem Unternehmen keine eigene Feldforschung zugrunde liegt, die gleichwohl in zeitgemäßer Form ausdrücklich wünschenswert wäre.22 Der Volksmärchenfiktion bleibt Calvino auch an diesem Punkt treu, wie bereits die Formulierung zeigt, die er für die Absage an die eigenhändige Märchensammlung findet: «Non sono andato di persona a farmi raccontare le storie dalle vecchiette» (FI 15), wo er doch bereits in einer Fußnote zur Arbeit der Grimms deutlich gemacht hat, dass er sich über die vielfältige Natur ihrer Quellen im Klaren war, zu denen ja auch gebildete Erzählerinnen gehörten.23 Die volkstümlichen nutrici Calvinos gehören anscheinend wie die «gouvernantes» und «grand-mères»24 Perraults als nostalgisch beschworene Garantinnen einer goldenen Märchenzeit zum topischen Fundus von Märchen-Einleitungen.

Als Leitlinien der Textauswahl nennt Calvino nun die Abbildung der typologischen und regionalen Vielfalt italienischer Märchen: «rappresentare tutti i tipi di fiaba di cui è documentata l’esistenza nei dialetti italiani; rappresentare tutte le regioni italiane» (FI 16). Deshalb sind neben Zaubermärchen in geringerem Umfang auch weitere «componimenti narrativi popolari» wie Legenden, Novellen, Fabeln und Anekdoten vertreten.25 Der dialektale Reichtum Italiens ist allerdings linguistisch, nicht politisch definiert, aufgenommen wurden also Texte aus der Gegend von Nizza, nicht aber aus dem Val d’Aosta und Südtirol, wohl hingegen ausnahmsweise griechische Märchen aus Kalabrien.26 Die italianità der Texte stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch als nicht unproblematisch heraus, denn Calvinos landestypischer Anspruch, alle Regionen zu berücksichtigen und deren Lokalkolorit wiederzugeben, wird durch die eingestandene Ubiquität des Märchens konterkariert,27 dessen «circolazione internazionale» (FI 17) den Nachweis eines genuin italienischen Ursprung unmöglich macht. Als Lösung des Dilemmas formuliert Calvino ebenso pragmatisch wie einnehmend: «Diciamo dunque italiane queste fiabe in quanto raccontate dal popolo in Italia, entrate per tradizione orale a far parte del nostro folklore narrativo» (FI 17). In den note der Ausgabe werden entsprechend die Leitfassung des Märchens in der entsprechenden Region lokalisiert und eine Auswahl weiterer autopsierter Versionen aufgezählt.

In Antizipation möglicher Kritik geht Calvino nun auf zwei mögliche Einwände von entgegengesetzter Seite gegen seine Arbeit am Märchen ein, die zugleich eigenes Unbehagen des Autors widerspiegeln.28 Die kritischen Pole sind einerseits die angebliche Unantastbarkeit der ursprünglichen volkstümlichen Überlieferung, andererseits die künstlerische Freiheit, ein ganz eigenes Werk zu schaffen, Authentizität versus Kreativität mithin.29 Einer Erwiderung würdig erachtet Calvino jedoch lediglich den ersten Einwand, den er nutzt, um die Legitimität seines Eingriffs zu verteidigen. Aus der «traducibilità» (FI 19) des Prosamärchens – im Gegensatz zu dialektalen Volksliedern – resultiere auch die Möglichkeit seiner Übersetzung, als deren Ziel Calvino eine universale Verständlichkeit und Zugänglichkeit der Texte formuliert, den «preciso intento di rendere accessibile a tutti i lettori italiani (e stranieri) il mondo fantastico contenuto in testi dialettali non da tutti decifrabili» (FI 19). Die doppelte Heterogenität des in verschiedenen Dialekten und von unterschiedlichen Folkloristen gesammelten Materials verleiht der Übersetzungsarbeit Calvinos jedoch einen gewissen Komplexitätsgrad:

Il mio lavoro è consistito nel cercar di fare di questo materiale eterogeneo un libro; nel cercar di comprendere e salvare, di fiaba in fiaba, il ‹diverso› che proviene dal modo di raccontare del luogo e dall’accento personale del narratore orale, e d’eliminare – cioè di ridurre ad unità – il ‹diverso› che proviene dal modo di raccogliere, dall’intervento intermediario del folklorista (FI 20).

Homologisierung der Märchen also, bei gleichzeitiger Rettung der genuinen Diversität und Tilgung folkloristischer Sammlungsspuren, das ist Calvinos Devise, die je nach Dialekt und Sammlung unterschiedlich starke Eingriffe in die Quellen nötig mache. Damit geht die Herausgebertätigkeit volkstümlicher Märchen jedoch über in eine Art von literarischer Autorschaft, für die Calvino zum Abschluss des Abschnitts ein treffendes Bild findet: «Ho inteso di mettermi anch’io come un anello dell’anonima catena senza fine per cui le fiabe si tramandano, anelli che non sono mai puri strumenti, trasmettitori passivi, ma […] i suoi veri ‹autori›» (FI 21–22). Auf das hier umschriebene Konzept von Autorschaft wird an späterer Stelle zurückzukommen sein.

Der dritte Abschnitt Le raccolte folkloristiche liefert eine ausführliche Beschreibung der regionalen Märchensammlungen, die Calvino als Quellen gedient haben – was für unsere Fragestellung weniger pertinent ist und hier summarisch wiedergegeben werden kann. Calvinos folkloristische Quellenrecherche stellt angesichts der von ihm vorgefundenen Forschungslücke allerdings eine Pionierarbeit dar, fehlte doch zu seiner Zeit ein zuverlässiger und vollständiger Index der italienischen Varianten mit Bezug zur gängigen AT-Klassifizierung, eine Lücke, die erst am Ende des 20. Jahrhunderts für die Zaubermärchen (AT 300–451) geschlossen wurde.30 Als auffällig konstatiert Calvino die stark ungleiche geographische Verteilung der Sammeltätigkeit, die mit Sicilia und der Toscana zwei privilegierte Regionen hervorgebracht hat, während andere weniger gut oder überhaupt nicht erschlossen sind. So beschreibt er bewundernd die Sammlungen von Giuseppe Pitrè in Sicilia und von Gherardo Nerucci in der Toscana, deren Fokus respektive auf dem wissenschaftlichen oder literarischen Aspekt folkloristischer Anthologien liege.31 Bei Pitrè bemerkt Calvino unter anderem die Verschiebung der Erzählinstanz von der abstrakten Entität ‹Volk› zu definierten Erzähler*innen-Persönlichkeiten,32 während er bei Neruccis erzählerischer Bearbeitung volkstümlicher Texte den Einfluss literarischer Quellen seit Boccaccio auf die orale Tradierung hervorhebt, «casi di ‹discesa› dalla letteratura al folklore» (FI 30). Weitere Regionen weisen laut Calvino noch eine gute Quellenlage auf, wie Venezia, Trentino, Friuli, Emilia-Romagna, Lazio, Abruzzo, Puglia und Calabria, während die Überlieferungssituation in Piemonte, Liguria, den Marche, Molise, Basilicata, Sardegna, Corsica und – erstaunlicherweise – Campania deutlich schlechter genannt werden kann und Umbria als einzige italienische Region überhaupt nicht in Calvinos Anthologie vertreten ist.33

Caratteristiche della fiaba italiana behandelt Calvino schließlich im vierten und letzten Abschnitt der Einleitung, in dem das zuvor angesprochene Problem der teilweise spärlichen Textüberlieferung existentiell verschärft wird. Ob generell eine «povertà di produzione fantastica del popolo italiano» (FI 41) konstatiert werden könne, hält Calvino aufgrund der zufälligen Quellenlage zwar für unentscheidbar, stellt im Anschluss jedoch gleichwohl die Frage, ob von einem italienischen Volksmärchen im Wortsinn überhaupt die Rede sein könne: «Dunque parlare di ‹fiaba popolare italiana› non può aver significato?» (FI 41). Für ihre Beantwortung lässt Calvino die verschiedenen Schulen der Märchenforschung zwischen Monogenese und Polygenese, geographisch-historischer Methode der finnischen Märchenschule, Propps Märchenmorphologie und ethnologischen Ansätzen der Strukturalisten knapp Revue passieren,34 um dann eine unzureichende Forschungslage zum italienischen Märchen festzuhalten, die ihn dazu nötige, auf der Basis des in Augenschein genommenen Materials die eigene Intuition zu nutzen, «avventurarmi in supposizioni intuitive» (FI 43). Nach kurzer Diskussion germanischer, französischer und orientalischer Einflüsse in den verschiedenen Regionen kommt Calvino zu einer harmonisierend synkretistischen Synthese:

Quel sottofondo di fiaba pagana e prepagana che doveva esserci dappertutto […] s’informò allora delle istituzioni, dell’etica, della fantasia feudal-cavalleresche (e della contaminazione religiosa cristiano-pagana di quel mondo), in qualche punto fondendosi con l’altra onda di suggestioni e trasfigurazioni, quella d’origine orientale, che s’era a sua volta propagata dal Meridione (FI 45).

Im Anschluss wird transitorisch die Hypothese andiskutiert, ob das bei Basile als I tre cedri (V.9) und bei Gozzi unter dem Titel L’amore delle tre melarance literarisierte Märchen (AT 408), das bei Calvino als Nummer 107 L’amore delle tre melagrane aufgenommen wurde,35 «una delle poche fiabe che possano dirsi veramente ‹italiane›» (FI 1133) ist, wie er in der entsprechenden Anmerkung formuliert, bevor Calvino auf einige von ihm beobachtete Charakteristika des italienischen Märchens zu sprechen kommt.

Ausgehend von den Mensch-Tier-Metamorphosen des Märchens findet Calvino einen ausgeprägten «senso della bellezza» (FI 46) in italienischen Texten, weiterhin eine – im Vergleich zur nationalstereotypisch postulierten Blutrünstigkeit Grimmscher Märchen – deutlich reduzierte Grausamkeit,36 die nie Selbstzweck werde: «La naturale ‹barbarie› della fiaba si piega ad una legge d’armonia» (FI 47). In diesem Zusammenhang steht als weiterer typischer Zug die Lösungsorientiertheit italienischer Märchen, die eine gerechte Bestrafung der Bösen beinhalte. Das große Thema sei jedoch die Liebe, allerdings in Form des «amore precario» (FI 48), der magischen Prüfungen und Trennungen ausgesetzt ist und von Sinnlichkeit geprägt sei.

Diese «sensualità» (FI 49) habe Calvino in seiner Anthologie mit Rücksicht auf die kindlichen Rezipienten zensieren müssen,37 wie er zu Beginn eines interessanten Exkurses zum Adressatenkreis des Märchens im Wandel der Zeit angibt. Denn Märchen waren bis ins 19. Jahrhundert eben keine Kinder- und Jugendliteratur, sondern oral (und schriftlich) tradierte wunderbare Geschichten für alle Altersgruppen, während Calvino intentionale Kindermärchen im engeren Sinne als ‹triviale› Subgattung furchteinflößender skatologischer Prosatexte mit Verseinschüben sieht, die von guter Kinderliteratur im heutigen Verständnis demnach deutlich abweichen.38 Neben dem Wunderbaren kennzeichnet Märchen ihre Moral, die allerdings implizit daherkomme und vielmehr im Akt des Erzählens selbst liege, wie Calvino unter Verweis auf das entsprechende Märchen Il pappagallo (Nr. 15) seiner Sammlung ausführt:

La morale della fiaba è sempre implicita, nella vittoria delle semplici virtù dei personaggi buoni e nel castigo delle altrettanto semplici e assolute perversità dei malvagi; quasi mai vi s’insiste in forma sentenziosa o pedagogica. E forse la funzione morale che il raccontar fiabe ha nell’intendimento popolare, va cercata non nella direzione dei contenuti ma nell’istituzione stessa della fiaba, nel fatto di raccontarle e d’udirle (FI 50).39

Damit gerät endgültig das Erzählen in den Fokus von Calvinos Ausführungen, die Dialektik von Konventionen und Invention,40 contraintes & liberté im oulipotischen Sinne,41 und damit die Arbeit des Erzählers beim Organisieren von Themen, Motiven und Typen des Märchens. Was hier zunächst auf den mündlichen volkstümlichen Märchenerzähler gemünzt formuliert wird, lässt sich auf den Autor Calvino und seine literarische Märchen-Komposition42 übertragen und wird in den folgenden Abschnitten exemplarisch analysiert.

Die letzten Bemerkungen Calvinos gelten aber dem Sitz im Leben, den historischen Erfahrungen, die das Märchenerzählen bestimmt haben, sei es die herrschende Gesellschaftsordnung oder die Armut der Landbevölkerung, die «situazione ‹realistica›» (FI 52) mithin, die dem Märchen als Ausgangslage und inhärentes Element dienen kann. Die nicht-evasive literarische Übertragung von Realität in Phantasie, darin sieht Calvino abschließend die eigentliche Stärke des Märchens:

Chi sa quanto è raro nella poesia popolare (e non popolare) costruire un sogno senza rifugiarsi nell’evasione, apprezzerà queste punte estreme d’un’autocoscienza che non rifiuta l’invenzione d’un destino, questa forza di realtà che interamente esplode in fantasia. Miglior lezione, poetica e morale, le fiabe non potrebbero darci (FI 53).

Diese programmatische und zugleich persönlich-apologetische Einleitung ließ Calvino auch in der späteren Ausgabe der Fiabe italiane von 1971 unverändert, ergänzte lediglich einige neuere Literaturhinweise, vor allem auf morphologische Märchenstudien.43

Im Folgenden soll an einer exemplarischen Reihe thematisch verbundener Märchen das erzählerische Verfahren Calvinos genauer betrachtet werden, bevor im dritten Teil des Beitrags im Zuge der Untersuchung der Grimm-Analogie auf einige teilweise bereits in der Introduzione angesprochene poetologische Fragen zurückzukommen sein wird.

2. Verfahren der Märchen-Umschreibung Calvinos am Beispiel der Rotkäppchen-Sequenz

Die bekannte Geschichte vom Rotkäppchen (AT 333),44 die von Charles Perrault 1695 als Le petit Chaperon rouge erstmals literarisiert wurde45 und in der Kinder- und Hausmärchen-Fassung der Brüder Grimm seit 1812 als Rotkäppchen (KHM 26) Weltruhm erlangte,46 ist als Cappuccetto rosso laut Calvino jedoch «fiaba che non si può dire popolare in Italia» (FI 1097). Dabei ist das Märchen natürlich älter, die versuchte Rekonstruktion der oralen Überlieferung aus dem französisch-italienischen Raum durch die positivistische Folkloristik des 19. Jahrhunderts zeigt eine Bauerngeschichte von der Begegnung eines Mädchens im Pubertätsalter mit einem Werwolf, deren Ausgang teilweise tödlich, teilweise glücklich ist. Die Tötung der Großmutter durch die Bestie und das kannibalische Verspeisen von ihrem Fleisch und Blut durch das Mädchen sowie die deutlich präsente sexuelle Dimension, die sich darin zeigt, dass sich Rotkäppchen entkleidet und zu Wolf / Großmutter ins Bett legt, deuten darauf hin, dass es sich ursprünglich um die Erzählung eines Initiationsrituals bäuerlicher Gesellschaften gehandelt haben könnte, das eine zentrale Rolle für die Ausbildung der ontogenetischen und phylogenetischen Identität besaß.47 Der in einigen Versionen vorhandene gute Ausgang,48 bei dem das Mädchen das Bett des Wolfes listig wieder verlassen und sich selbst befreien kann, ist demnach eine von alters her im Märchen angelegte Möglichkeit der Eigenrettung. Im Prozess der Literarisierung der volkstümlichen Überlieferung verfasste Perrault mit seiner Erzählung Le petit Chaperon rouge (1697) ein Warnmärchen für ein verfeinertes höfisches Publikum, in dem die Erotik vornehm verschleiert wurde.49 Das abrupte schlimme Ende, bei dem das Mädchen rettungslos vom Wolf gefressen wird, findet sich in der gereimten Moralité ironisch-doppeldeutig auf die Verführungskraft von Salon-Wölfen übertragen, vor denen die «jeunes filles» gewarnt werden.50 Ludwig Tieck formte dann Perraults Conte zu seiner Märchenverstragödie Leben und Tod des kleinen Rothkäppchens (1800) um, in der nach dem tödlichen Ausgang für das kecke kleine Mädchen der Gerechtigkeit dadurch genüge getan wird, dass der Wolf durch einen Jäger erschossen wird, den Tieck in die Geschichte einführt.51 In den Kinder- und Hausmärchen (1812–1857) stützten sich die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm bei ihrer bekannten Rotkäppchen-Version (KHM 26) mit märchenhaft positivem Ende stärker auf Perrault und Tieck, als sie dies mit ihrer Berufung auf die mündliche Überlieferung «aus den Maingegenden»52 an jeder Stelle offen zugeben mochten.53 Das Märchen wird von Wilhelm Grimm in seinen Redaktionen auf den ersten Blick zunehmend kindlich-harmlos gestaltet, er tilgt alle erotischen oder gar sexuellen Elemente und zeigt Rotkäppchen als vorpubertäre «kleine süße Dirne»,54 die nach ihrer naiven Begegnung mit dem bösen Wolf auf die Hilfe des männlichen Retters in Gestalt des Jägers angewiesen ist. Nicht nur Sexualität und archaische Gräuel, sondern auch Freiheit und Selbstrettung wurden dem Märchen auf dem langen Weg der Überlieferung bis ins deutsche 19. Jahrhundert also offensichtlich ausgetrieben. Eine subversive Gegenlektüre dazu bietet jedoch Schmiele, die Rotkäppchen als Abenteurerin deutet und im Märchen die Verführung zur Erkenntnis der Schönheit im Sinne einer Pädagogik der Stärkung durch Poesie realisiert sieht,55 was mit Biedermeier dann nichts mehr zu tun hätte.

Die Grimmsche Fassung, die hingegen lange Zeit als biedermeierlich gelesen wurde, entwickelte sich im weiteren Verlauf – neben Perraults Märchen – zur kanonischen Referenzversion, an der sich zahlreiche Adaptationen orientieren und die entsprechend auch von Calvino als Vorbild für seine fiabe erwähnt wird.56 Vom Typ Rotkäppchen hat Calvino drei Märchen aus verschiedenen Regionen aufgenommen,57 zwei weitere Märchen setzt er dazu in Beziehung. Es handelt sich um folgende Texte, die nun auf ihren Umgang mit den angegebenen Quellen und ihre literarische Bearbeitung hin untersucht werden: Il lupo e le tre ragazze (26), La finta nonna (116), Zio Lupo (49) sowie Mastro Francesco Siedi-e-mangia (168) und Le tre casette (24).

Als Leitmärchen dient Calvino Il lupo e le tre ragazze (26), dem er auch den ausführlichsten Kommentar widmet. Vorlage dafür ist die in «Pacengo sul Lago di Garda» (FI 1097) aufgezeichnete Erzählung El loo e le tre putèle, die er Arrigo Balladoros Beitrag Due fiabucce popolari veronesi (1905) in der Zeitschrift Giambattista Basile. Archivio di letteratura popolare entnommen hat,58 einer wissenschaftlichen Publikation mit gelehrtem Zielpublikum mithin. Auffällig ist bereits im Titel die Dreizahl der ‹Rotkäppchen›, die hier indes namenlose Mädchen ohne das charakteristische Attribut sind. Die älteren beiden Schwestern, die sich zuerst erfolglos mit Proviant auf den Weg zu ihrer kranken Mutter – auch dies eine Abweichung von der Normalform – machen, stellen jedoch nur ein Vorgeplänkel zum eigentlichen Abenteuer mit dem Wolf dar, das die jüngste Schwester schließlich glücklich übersteht. Die Triplikation ermöglicht es dem Erzähler aber, symbolisch dreimal einen märchentypisch gestalteten Dialog zwischen Wolf und Mädchen einzufügen, der allerdings nicht darauf abzielt, das Mädchen vom Weg abzubringen, sondern ausschließlich den Leckereien in den Taschen gilt:

– Dove corri così forte?
– Da mia mamma a Borgoforte, che le è preso mal da morte.
– Cosa porti in quelle sporte?
– Quattro fiaschi e quattro torte.
– Dàlle a me se no, alle corte, ch’io ti mangi è la tua sorte. (FI 166)

Der insistente Reim auf -orte, der bereits im einleitenden Prosasatz auftaucht, stellt einen eingestandenen Zusatz Calvinos dar, der das einzige Reimpaar ‹Borgoforte – morte› der Vorlage aufgreift und erweitert.59 Bemerkenswerterweise rekurriert Calvino mit dieser Versifizierung in Form einer filastrocca auf eine Gattungstradition, die er in der Introduzione negativ bewertet hatte, das intentionale Kindermärchen nämlich, zu dessen Charakteristika «tema pauroso e truculento, particolari scatologici o coprolalici, versi intercalati alla prosa con tendenza alla filastrocca» (FI 49) gehörten. Das letztgenannte, eher äußerliche Merkmal zählt für Calvino offensichtlich aber zum Inventar italienischer Märchen, während sex & violence, «(truculenza, scurrilità)», weiterhin als «opposte a quelli che sono oggi i requisiti della letteratura infantile» (FI 49) bewertet und eliminiert werden.

Die blutige Grausamkeit der Vorlage tilgt Calvino tatsächlich gründlich, von einer Ausweidung der getöteten Mutter und dem Verspeisen von Fleisch und Blut ist keine Rede mehr, wohingegen es bei Balladoro über den Wolf heißt: «Coi nervi, dopo, el fa la corda a la spagnòla de la porta, co la carne el fa ’na fogazza; col sangue el fa el vin».60 Vor dem Verschlingen des Mädchens schiebt Calvino zudem, im Einklang mit der Vorlage, einen Scheinsieg der Jüngsten über den gierigen Wolf ein, dem sie einen mit Nägeln präparierten Kuchen in die Schnauze wirft und auf diese Weise vorläufig in die Flucht treibt.61 Die Rache des Übertölpelten kann nicht ausbleiben («Me la pagherai!», FI 167) und wird, wie gesehen, im Haus der Mutter blutig ausfallen. Nach dem typischen Dialog, der hier jedoch nur die beiden Fragen nach schwarzer Haut und großem Kopf umfasst,62 frisst der Wolf das Mädchen, wird beim Verlassen des Hauses jedoch von Bauern getötet, die Mutter und Tochter wohlbehalten aus dem Wolfsbauch schneiden. Der lieto fine wird bei Balladoro rasch erzählt, das Mädchen kehrt zu ihren Schwestern zurück, «ghe caa fora la putèla, e ela l’era aacora viva, e cussi l’è tornà da noo [di nuovo] da so sorele»,63 während von einer Wiederbelebung der zerstückelten Mutter keine Rede sein kann. Diesen Umstand konnte Calvino ebenso wenig übernehmen, also rettet er auch die Mutter und lässt die jüngste Schwester überdies mit einem schnippischen Ausdruck des Selbstbewusstseins nach Hause zurückkehren: «Avete visto che io ce l’ho fatta!» (FI 167) Was durch die Faktenlage eher nicht gedeckt ist, schließlich erwächst aus dem Versuch, den Wolf zu überlisten, lediglich ein Aufschub des Verschlingens, kann als Teil der erzählerischen Formung verstanden werden, die neben dem kindersprachlichen Reimeinschub auch die kindgerechte Harmlosigkeit des Abenteuers betont, inklusive empowerment kleiner Mädchen. Ein weiteres Mächenstilelement Calvinos liegt in der besseren Motivierung der fatalen Annäherung des Mädchens an den Wolf, der sich übrigens nicht verkleidet, im Bett der Mutter: Während Balladoro die anhaltende Verwechslung ungeschickt explizieren muss,64 verwendet Calvino eleganter und psychologisch motivierter den Satz «– Lascia che t’abbracci, mamma, – disse la bambina e il lupo, ahm!, se la mangiò in un boccone» (FI 167). Calvinos Version stellt mithin ein Kindermärchen im Sinne des Wortes dar, das sprachlich und inhaltlich adressatenbezogen stark bearbeitet wurde, Sexualität und Grausamkeit zugunsten kindgerechter Psychologisierung und Stärkung kindlicher Allmachtsphantasien zensiert.

Calvino führt im Kommentar weitere regionale Versionen dieser Rotkäppchen-Variante auf,65 die er allesamt der norditalienischen «tradizione letteraria» (FI 1097) des Märchens zurechnet,66 welche ja, wie er meint, keine wirklich volkstümliche Überlieferung ermöglicht habe – den oben angesprochenen rekonstruierten oralen Versionen zum Trotz. Bei genauerer Betrachtung fallen jedoch in diesen Texten einige populäre Elemente der oralen Tradition ins Auge, die sich mit den kanonischen Buchmärchen vermischt haben.

Das piemontesische Märchen ’L Capusòt rôss aus der Sammlung von Clotilde Farinetti (1926) stellt eine stark moralisierende Fassung mit fingierter mündlicher Erzählsituation dar, die als Warnmärchen ohne Rettung der Protagonistin (und der grausam gefressenen Großmutter) an Perrault orientiert ist, von Grimm aber beispielsweise das Motiv des Verkleidens übernimmt.67 Das retardierende Blumenpflücken geschieht in diesem Falle analog zu Perrault spontan und ohne Verführung durch den Wolf wie bei Grimm. Der Dialog zwischen Rotkäppchen und dem verkleideten luv (Wolf) im Bett der Großmutter umfasst die fünf von Perrault bekannten Fragen. Zum Schluss greift der Erzähler seine eingangs geäußerte Warnung vor «teribij cônseguensse» bei zu großer Vertrauensseligkeit auf, um den Tod des Mädchens in eine Warnung an die Zuhörerschaft umzumünzen: «E lôlì, tutt përchè Capusòt rôss, a l’avija côntàje al luv tuti ij so afè, e andôva ch’andasia, e da chi, e patich e paténa».68 Die penetrant moralisierende Faktur und der schlechte Ausgang dieser Version waren für Calvino demnach wohl Gründe genug, um einer anderen Leitfassung zu folgen.

Aus dem Friuli verweist Calvino auf «una Baretina rôussa friulana (Zorz. II pp. 12, 33)»,69 eigentlich zwei unterschiedliche Versionen, die aber jeweils mit einem glücklichen Ende nach Grimm aufwarten. Während die erste das Mädchen («frûta») zwar als «Baretina rôussa»70 anspricht, den Namen aber nicht weiter erklärt, motiviert die zweite Fassung die Bezeichnung mit der typischen «baritute rosse»,71 die dem braven Mädchen derart gut stehe. Elemente mündlichen Erzählens finden sich insbesondere im ersten Text, der überwiegend dialogisch gestaltet ist und das märchentypische Frage-Antwort-Spiel zwischen Rotkäppchen und dem Untier im Bett auf acht Repliken ausdehnt, außerdem die Besonderheit aufweist, den topischen Wolf durch einen Bären («ôurs») zu ersetzen. Das Verschlingen von Großmutter («nôuna») und Enkelin wird bewusst harmlos formuliert: «E alora las veva dutas dôus vivas in ta la pantsa»,72 was die Rettung durch Rotkäppchens Vater – eine weitere Besonderheit – bereits andeutet. Nach der Befreiung geben Mutter und Tochter des Vaters als comic relief an, so gut im Bauch geschlafen zu haben, dass sie gern weiter dort geblieben wären. Am abschließenden Freudenfest nimmt auch der Erzähler teil, der damit seine Beteiligung am Märchengeschehen betont.73 Die Dialoge der zweiten Fassung zwischen dem gewohnten Wolf («lôf»)74 und Baritine rosse erstrecken sich auf die erste Begegnung der beiden, während im Bett nur Zeit für zwei neugierige Fragen ist, da es nicht zum Verschlingen des Mädchens kommt: Drei Holzfäller («sclapezòcs»)75 eilen zur Rettung und befreien auch die Großmutter lebendig aus dem Bauch des Wolfs. Die von verschiedenen Gewährsleuten erzählten Märchenversionen76 variieren das Grimmsche Schema demnach in puncto Opponent (Bär – Wolf) und Retter (Vater – Holzfäller statt Jäger), stimmen jedoch im guten Ausgang und in der oralisierend-dialogischen Faktur überein. Sie wären in ihrer Nähe zum Grimmschen Normaltyp und der kindgerechten Harmlosigkeit somit eigentlich eine geeignete Vorlage für Calvino gewesen.

Das von Calvino als «Cappellin rosso trentino» (FI 1097) erwähnte Märchen wurde 1867 von Christian Schneller in seinem Band Märchen und Sagen aus Wälschtirol auf Deutsch mit dem Titel Das Rothhütchen (El cappellin rosso) wiedergegeben und verweist im Untertitel auf die Grimmsche Version,77 vermengt aber eher Perraults lakonische Erzählung mit schlechtem Ausgang mit grausigen Elementen der volkstümlichen Überlieferung, wie sie von Delarue aufgezeichnet wurden. Das Untier, dem das Mädchen im Wald auf dem Weg zur Großmutter begegnet, ist bei Schneller ein «Orco», die beiden verschiedenen Wege, die sie einschlagen, werden nach der französischen Tradition benannt, hier «über die Steine oder über die Dornstauden»,78 die Großmutter wird vom Orco zerstückelt und Gedärme, Blut, Zähne und Kiefer werden im Haus verteilt, was zu längeren Dialogen zwischen Rothhütchen und dem Fresser darüber führt, was das Mädchen da gerade verspeist. Kannibalismus, archaische Grausamkeit und ein abruptes unglückliches Ende machen diese Version für Calvino als Vorlage demnach wenig interessant.

Schließlich sind die als «un Cappuccetto rosso romagnolo (Ander. 30, 31)» (FI 1097) bezeichneten Märchen aus der Sammlung Novelline popolari sammarinesi von Walter Anderson eigentlich insgesamt sechs unterschiedliche Versionen mit dem identischen Titel Cappuccetto rosso.79 Sie wurden von Schulkindern im Alter zwischen 8 und 15 Jahren 1927–1929 aufgezeichnet80 und kombinieren in oft lakonischem Stil Elemente des Rotkäppchen-Typs mit je eigener Akzentsetzung. Das Untier ist durchgängig ein Wolf, die mitgeführten Lebensmittel variieren,81 das Ende – nach Perrault, auf den Anderson auch als «versione più antica conosciuta»82 verweist – überwiegend schlecht, mit Ausnahme der beiden letzten Versionen. Das vom ältesten Kind erzählte Märchen führt als Ansatz psychologischer Motivierung das Motiv des retardierenden Blumenpflückens ein, um die Verwechslung des Wolfs mit der Großmutter im Dunkeln zu erklären.83 Nur in drei Versionen findet sich der typische Dialog zwischen Rotkäppchen und dem Wolf im Bett.84 Die beiden Dialektmärchen weisen insgesamt die meisten Besonderheiten auf, so ist der Protagonist von Nr. 85 männlich,85 die Begegnung mit dem Wolf ist von keinem Gang zur Großmutter motiviert, die Rettung der Gefressenen erfolgt lakonisch durch den Vater (Nr. 86) oder durch den unfreiwilligen Tod des Wolfs, der nach dem Verschlingen von Mutter und Sohn auch noch «da ciambèli» frisst, platzt und «bóta fura la dòna viva e anche e fiul».86 Da Calvino offensichtlich nur die ersten beiden Fassungen in Augenschein genommen hatte, die ob ihrer Kürze, stilistischen Schlichtheit und des schlechten Ausgangs wenig tauglich erscheinen mussten, waren sie wohl nicht weiter in Betracht zu ziehen.

Insgesamt beinhalten die von Calvino ausgeschiedenen volkstümlichen Versionen, neben ihrer stilistischen Unzulänglichkeit wohl zu viele grausame Elemente und in der Regel das von Perrault bekannte schlechte Ende, um für die Fiabe italiane interessant zu werden. Die friulanischen Baritine rosse wären inhaltlich hingegen durchaus geeignet gewesen, es bleibt also die Frage, warum Calvino stattdessen die von Balladoro tradierte Veroneser Variante87 mit ungewöhnlicher Triplikation des Rotkäppchens zur Vorlage gewählt hat – als mögliche Erklärung bietet sich wohl gerade deren volkstümliche Originalität an.88

Das zweite Märchen in dieser Serie, La finta nonna (116), realisiert eine eher ungewöhnliche Rotkäppchen-Variante mit einer Orca als Antagonistin und der Eigenrettung des Mädchens, wie sie aus französischen Überlieferungen bekannt ist.89 Protagonistin ist eine namenlose «bambina» (FI 653) ohne rotes Käppchen, die von der Mutter zur Großmutter geschickt wird, ein «setaccio» auszuleihen. Unterwegs verschenkt sie ihre Wegzehrung an zwei magische Barrieren, die «ciambelle» dem «fiume Giordano», den «pan coll’olio» der «Porta Rastrello», die sie daraufhin jeweils passieren lassen. Der Eingang zum Haus der Großmutter ist verschlossen, sodass sie im (symbolisch) dritten Versuch mit einem Seil durchs Fenster hineingezogen wird. Die Orca hatte zuvor die Großmutter gefressen und nur ihre Zähne in einen Kochtopf und ihre Ohren in eine Pfanne getan, die sie dem Mädchen nun zum Essen anbietet. Der Kannibalismus wird bei Calvino jedoch dadurch abgewendet, das die Kleine nur durch Berühren mit Löffel und Gabel feststellt, dass die Körperteile noch zu hart sind. Im Bett entspinnt sich der typische Dialog, dessen drei Fragen sich auf die üppige Körperbehaarung der vermeintlichen Großmutter beziehen. Durch Ertasten der «coda» (FI 654) misstrauisch geworden, lässt sich das Mädchen unter Vortäuschung eines «bisognino» in den Stall abseilen, bindet statt ihrer eine Ziege ans Seil und läuft mit den höhnischen Worten «Orca pelosa! Orca pelosa!» davon. Auf der Verfolgung durch die geprellte Fresserin erhält sie Hilfe von den magischen Schwellen, die sie zuvor mit ihren Gaben günstig gestimmt hatte, das Tor hält sie entgegen des Befehls der Orca nicht auf, der Fluss reißt das Untier mit potentiell tödlichem Ausgang mit sich,90 während das Mädchen am sicheren Ufer «le faceva gli sberleffi» (FI 655). Die Selbstrettung erfolgt in diesem Fall also durch List und magische Helfer, die Bestrafung des Bösen auf dem Fuße, und die zweifache Verhöhnung der Orca dient dem Ausdruck gesteigerten kindlichen Selbstbewusstseins. Das kindgerechte Ende kaschiert auch die grausame Zerstückelung der Großmutter, für die es hingegen keine Rettung gibt.

Für Calvinos Bearbeitung bietet die Vorlage L’orca von Antonio De Nino aus dem dritten Band seiner Usi e costumi abruzzesi (1883) zahlreiche passende Elemente, wie der Autor im Kommentar selbst schreibt.91 Das auf Italienisch wiedergegebene Märchen, mit dialektalen (und anschließend übersetzten) filastrocche zu Beginn und Ende der Geschichte, wird von Calvino mit wenigen Veränderungen übernommen. Diese betreffen Details wie den zweiten Versuch, ins Haus der Großmutter zu gelangen, der bei De Nino «pel buco della chiave»92 erfolgen soll, wo Calvino die realistischere «gattaiola» (FI 653) einsetzt, und das Haustier, das statt des Mädchens im Stall ans Seil gebunden wird, bei Calvino «una capra» (FI 654), bei De Nino «un asino».93 Andere Veränderungen sind bedeutsamer, so führt De Nino seine Protagonistin als verwöhntes Kind ein, «una ragazza [che] vinceva tutti i cugli [capriccetti]»,94 was dort ihre Abenteuer als eine Art von Lehre erklären könnte, bei Calvino jedoch wegfällt, wohl um die Charakterzeichnung der Protagonistin nicht mit negativen Zügen zu belasten. Auch die von der Zerstückelung der Großmutter übrig gebliebenen Teile variieren, statt Calvinos Ohren wurde bei De Nino «del sangue empito un fiasco»,95 das auch getrunken wird – Calvino mildert die Grausamkeit der Vorlage also zum wiederholten Male ab. Das Angebot der filastrocche bei De Nino war wohl deshalb nicht zu übernehmen, weil sich diese paratextuellen Verseinlagen fast überhaupt nicht auf den Märcheninhalt beziehen. Im Vergleich zur einzigen Vorlage hat Calvino demnach die Quelle wohl wegen ihrer angeblichen volkstümlichen Authentizität ausgewählt, sie inhaltlich kaum verändert, lediglich negative Elemente abgemildert und das empowerment in den Fokus gerückt.

Das Märchen Nr. 49, Zio Lupo aus der Romagna, folgt dem Typ 333A,96 der von der fatalen Naschhaftigkeit eines Mädchens und der folgenden Bestrafung durch einen Unhold handelt,97 und trägt deutlich moralisierend-didaktische Züge. Das bei Calvino namenlose Mädchen wird als «golosa» (FI 276) und faul eingeführt, statt in der Schule die gendertypische Handarbeit zu verrichten, schläft sie auf der Toilette ein und kommt auf diese Weise nicht in den Genuss der versprochenen «frittelle». Die Mutter erklärt sich sofort bereit, das Karnevalsgebäck selbst herzustellen und schickt das Mädchen zum «Zio Lupo», um sich eine Pfanne auszuleihen. Die Begegnung mit dem Verwandten wird in filastrocca-Manier durch viermaliges Klopfen an der Haustür präludiert, weil der Onkel sich umständlich ankleiden muss. Mit dem Versprechen, die geforderte Leihgebühr, «la padella […] piena di frittelle, con una pagnotta di pane e un fiasco di vino», zu entrichten, kehrt das Mädchen zur Mutter zurück und bekommt seine Nascherei. Auf dem Rückweg zum «Zio Lupo» kann sie der Versuchung allerdings nicht widerstehen, vertilgt alle Gaben und ersetzt sie durch «brutta roba», wie der Erzähler resümiert: «Allora, per riempire la padella, raccolse per la strada delle polpette di somaro. E il fiasco, lo riempì d’acqua sporca. E per pane fece una pagnotta con la calcina d’un muratore che lavorava per la strada» (FI 277). Die Reaktion des Betrogenen ist drastisch, «Stanotte ti vengo a mangiare!», und wird aller Vorsichtsmaßnahmen von Mutter und Tochter zum Trotz erfolgreich umgesetzt, denn beim Verschließen der Türen und Fenster wurde der Kamin vergessen, durch den sich der Fresser Eintritt verschafft. Der Schrecken wird dabei sadistisch durch sukzessive Annäherung des Lupo an das zitternde Mädchen im Bett gesteigert, bei der er jedes Mal seine Drohung «Adesso ti mangio!» mit einer Ortsangabe verbindet. Nach dem Fressen kommt bei Calvino die Moral in Form der lehrreichen Verallgemeinerung: «E così Zio Lupo mangia sempre le bambine golose» (FI 278).

Calvino hält dieses Schreckmärchen für «la più semplice fiaba per bambini della tradizione popolare, diffusa nell’Italia settentrionale e centrale, col suo rudimentale contrasto di ghiottoneria e schifo stercorario, e con la sua progressione paurosa» (FI 1107) und eine Vorstufe zum ausgefeilteren Typ Rotkäppchen.98 Er folgt mit wenigen Ausschmückungen und Veränderungen der Vorlage La fola de lòv aus Faenza, die er Paolo Toschis Sammlung Romagna solatia von 1925 entnimmt. Die dort ebenfalls namenlose «babena»99 wird als «lóva» (gierig) eingeführt, was schon etymologisch gut zum «lóv» passt, den sie um seine Gaben betrügt. Der Dialog vor dem Öffnen der Tür des Wolfs wird von Calvino nur um die einleitende psychologisierende Bemerkung «Tanti anni, tanti mesi che nessuno batte più a questa porta» (FI 276) nach der Version von Bernoni (1875) ergänzt,100 ist ansonsten bei Toschi bereits vorhanden. Die aufgesetzte Moral am Schluss hat Calvino indes hinzugefügt, die Vorlage begnügt sich – ihrem lakonischen Stil entsprechend – mit dem Satz «E e’ lóv us magnè la babena».101

Calvino führt neun weitere Versionen aus sechs Regionen an:

Aus Venezia das Märchen Nono Cocon aus der Sammlung von Giuseppe Bernoni (1875), in dem zunächst umständlich von einer «mestra»102 erzählt wird, die drei Schülerinnen den Boden fegen lässt, wo sie Geld finden, das für die Zubereitung der «fritole» genutzt werden soll. Da eine Pfanne fehlt, wird die Jüngste zum titelgebenden «Nono Cocon» geschickt, der sich zum Dank «un poche de fritole anca a mi co un poco de rosolio»103 ausbittet, was nach dem Vernaschen gegen Hundekot und Katzenurin ausgetauscht wird. Auf die Drohung «speta mi che sta note te vegnarò a magnar»104 hin läuft das Mädchen nach Hause, der Fresser dringt wie gewohnt allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz durch den Kamin ein – und setzt sich unerwarteterweise auf eine «poltrona», die von der maestra mit Nägeln präpariert wurde, die den Bösen töten. Der Kadaver wird mit vereinten Kräften vom Balkon geworfen, «e cussi Nono Cocon no ghe xe più e nol magna più nissun».105 Die erzählerisch ausgearbeitete Dialektversion schließt lakonisch mit einer unvorbereiteten und unmotivierten Rettung des naschhaften Mädchens, das in der langen Vorgeschichte aber nicht als faul eingeführt wurde, was die ausbleibende drastische Bestrafung erklären könnte. Calvino übernimmt aus dieser Variante den oben zitierten Satz «Tanti anni, tanti mesi che nessuno batte più a questa porta», nicht aber die Rettung des Mädchens.

Zwei Versionen stammen aus dem Trentino, das auf Deutsch aufgezeichnete Märchen Cattarinetta aus der Sammlung von Schneller (1867) und Il Compare Lupo aus den Fiabe e leggende della Valle di Rendena nel Trentino von Nepomuceno Bolognini (1881). Schnellers kurze Geschichte gibt dem Mädchen den generischen Namen «Kathrinchen»,106 die Pfanne, die zum Tortenbacken ausgeliehen wird, gehört einer «Tante, einer bösen Hexe», Kathrinchen ersetzt das vernaschte Tortenstück durch einen «Kuhfladen» und macht sich eilig aus dem Staub. Das bedrohlich angekündigte Ende besteht im Verschlingen, eine Moral ist nicht angehängt. Auch die Protagonistin von Bologninis ausgefeiltem italienischen Märchen erhält einen Namen, «Lena»,107 führt mit ihrer alten Mutter ein ärmliches Leben in den Bergen in Nachbarschaft des titelgebenden «Compare Lupo» und «aveva quel brutto vizio della gola».108 Die stark christlich moralisierende Geschichte ist in einer gesegneten Vorzeit angesiedelt, einem «tempo benedetto» der sprachlichen Verständigung zwischen Mensch und Tier, deren wunderbarer Reichtum von «latte e miele» allerdings mit dem «vive[re] poveramente» der Protagonistinnen kontrastiert.109 Die durchgängigen Warnungen vor «vizio», «tentazione» und «peccato» kulminieren in Leseransprachen des Erzählers,110 der zudem misogyne Züge nicht verbergen kann, spricht er doch von Lenas «cervellino» und den «menti deboli e leggiere»111 von Mutter und Tochter. Von Gewissensbissen geplagt vertilgt Lena also die «frittelle», die für «Compare Lupo» bestimmt waren, nimmt jedoch keinen Austausch vor und schützt verwirrt Vergessen vor. Der Wolf gibt ihr drei Tage Frist, die aufgrund der beschriebenen Charakterschwäche, «spensieratezza [e] inerzia»,112 der weiblichen Hauptpersonen ungenutzt verstreichen. Als der Lupo mit den bekannten Drohungen immer näher kommt, schreien sie «Misericordia!» und bereuen ihre Sünden – das Ende bleibt dann unerwarteterweise offen, left to the reader in der Leerstelle der Auslassungszeichen: «il Compare Lupo aprì l’enorme boccaccia e … felice notte».113 Was nach den penetranten Moralisierungen womöglich überraschen mag, könnte indes von der christlichen Botschaft von Reue und Vergebung gedeckt sein, das Schreckmärchen also bei aller schwarzen Pädagogik eine drastische Mahnung zur contritio cordis in extremis vermitteln. Calvino hat aus dieser Version offensichtlich weder die durchgängig moralische Faktur noch das überraschend offene Ende übernommen.

Aus Friuli zitiert Calvino die Version Barbe lôf nach Zorzùt (1925), deren Protagonistin den Namen «’Sisute» trägt und dem gierigen ‹Onkel› Wolf statt der versprochenen «ciastinis e un bocâl di vin blanc»114 Eselskot und -urin unterschiebt. Der wütende Fresser verschlingt sie nach gewohnter Art, die angehängte Moral warnt nicht vor Naschsucht, sondern vor Lügen: «E cussì barbe lôf al mange duc’ i fruz che disin bausiis».115

Eine weitere, von Calvino nicht genutzte Variante stammt aus Dalmazia, Barba Zucon aus der Sammlung von Riccardo Forster (1891), die eingangs als totes Motiv zwei Schwestern einführt, die jüngere dann aber das bekannte Abenteuer mit dem Unhold erleben lässt, dem sie Eselskot und eigenen Urin unterjubelt. Sie rettet sich anschließend nach Hause, wo die Mutter listig eine mit Nadeln gespickte Puppe statt ihrer ins Bett legt, die den Fresser mit blutigem Maul flüchten lässt. Nach dieser glücklichen Rettung endet das Märchen mit einer Erzählerformel: «e la fiaba xe finia, contemene un’altra o vado via».116

Aus der Romagna erwähnt Calvino drei Versionen aus der Sammlung von Anderson, dort finden sich insgesamt vier einschlägige Märchen: I.3 La Rosina e il Mago, II.46 Caterina e il lupo, II.47 Caterina e il lupo und außerdem III.87 Maria e il lupo. Von Schulkindern im Alter von 9–11 Jahren teilweise im Dialekt erzählt, geben diese Märchenvarianten allesamt der Protagonistin einen Namen,117 der Stil ist lakonisch und der Ausgang überwiegend schlecht, in einem Fall wird die Mutter ebenfalls gefressen (46). Der Fresser ist der bekannte Wolf, nur im ersten Text ein «Mago»,118 der jedoch keine magischen Kräfte vorweist, die vernaschten Backwaren werden durch Kot, in einem Fall durch «terra bagnata»,119 ausgetauscht. Besonderheiten der Texte sind die rhythmische Gestaltung im Falle von La Rosina e il Mago (3), wo das Vertilgen der «biscottini» einzeln von 11 abwärts erzählt wird und am Schluss eine filastrocca des Wolfs steht.120 Während in drei Versionen die bekannte Naschsucht für den Verzehr der Leihgebühr sorgt, sind es in einem Fall (46) die Freundinnen von Caterina, die sie nacheinander um eine «fritela» bitten,121 bis nichts mehr übrig ist. Den einzigen Fall von Rettung des verschlungenen Mädchens bietet der letzte Text (87), in dem die Mutter listig dem Wolf den Bauch aufschneidet «e Maria riuscì».122 Calvino hat mögliche Angebote dieser Varianten, von der Namensgebung über die versifikatorische Gestaltung und charakterliche Differenzierung der Protagonistin bis zur Rettung des Mädchens demnach ausgeschlagen.

Die letzte von Calvino erwähnte Version aus Lazio, Caterinèlla aus der Sammlung Novelle, favole e leggende romanesche von Giggi Zanazzo (1907), ist lebendig und detailreich erzählt, verteilt die Sünde der Naschhaftigkeit auf Mutter und Tochter,123 lässt den mit Pferdeäpfeln geprellten «Orco» das Mädchen, seines Versteckens und der Bitten der Mutter zum Trotz, mitleidlos fressen. Der Unhold ist deutlich als unchristlich gezeichnet, vor dem Verschlingen spürt er Caterinella am Geruch von ‹Christenfleisch› auf und «se la sbramò».124 Am Schluss steht jedoch keine Moral, sondern eine filastrocca des Erzählers: «Stretta la fôja / Largo er viale / Pijate la favola / Come ve pare».125 Die angesprochenen Elemente des lebhaften Erzählens mit Verseinlagen und Thematisierung der Erzählsituation dieser Version werden von Calvino nicht aufgegriffen.

Weitere Varianten zählt Calvino nicht auf, und auch wenn es ihm genauso wenig um Vollständigkeit geht wie dieser Analyse, ist das Fehlen einer Version von Pitrè durchaus bemerkenswert, da Calvino dessen Sammlungen in seiner Introduzione ja ausgesprochen positiv bewertet und in seine Bibliographie aufgenommen hatte. Das Märchen Nonno Coccone aus Pitrès Sammlung Novelle popolari toscane (1885) erzählt von einem namenlosen Mädchen, «molto ghiotta»,126 das den titelgebenden Unhold mit Exkrementen eines «Moschino»127 betrügt, durch die List der Mutter, die eine nadelgespickte Puppe ins Bett des Mädchens legt, jedoch gerettet wird.128 Die hypothetische Frage, welche Elemente dieses Textes für Calvino hätten interessant sein können, lässt sich dahingehend beantworten, dass die von einer Neunjährigen aus Firenze aufgezeichnete Geschichte zwar Aspekte lebendiger Mündlichkeit und eine abschließende filastrocca aufweist, jedoch auch erzählerische Defizite in puncto Chronologie und Motivierung und somit wenig geeignet erscheinen könnte.129

«Qualche somiglianza col lupo di Cappuccetto rosso ha pure la Mamma-Draga» (FI 1097),130 erklärt Calvino in Bezug auf sein Märchen 168 Mastro Francesco Siedi-e-mangia. Die Geschichte handelt von einem armen und faulen Schuster, der seine fünf Töchter schuften lässt und die wenigen Einkünfte vertrinkt. Von diesen schließlich zur Arbeit getrieben, gerät er im Nachbardorf an eine «Signora» (FI 925), die ihn einen Schuh reparieren lässt und ihn bittet, ihr eine seiner Töchter als Haushaltshilfe zu schicken. Diese treten nacheinander ihren Dienst im «palazzo» an, bemerken bei der Hausarbeit jedoch jeweils die «coda lunga lunga e pelosa che usciva di sotto le lenzuola e finiva sotto il letto» (FI 926) der «Mamma-Draga» und flüchten zurück nach Hause. Der Vater entschließt sich daraufhin, den leichten Dienst selbst zu verrichten und lässt es sich im Palast der Orca solange gut gehen, bis sie ihn für ausreichend gemästet hält und ihm in filastrocca-Manier ankündigt, ihn fressen zu wollen: «Siedi-e-mangia, Mangia-e-siedi, / Che parte vuoi ti mangi, / Dalla testa oppur dai piedi?» (FI 927). Der Angesprochene antwortet zitternd im selben Ton «Chi alle figlie sue non crede / Sia mangiato per il piede» und findet auf diese Weise am Schluss der Geschichte sein verdientes Ende: «Le figlie restarono tranquille e contente / E Mastro Francesco morì come un fetente. / E chi l’ha detto e chi l’ha fatto dire / Non debba della sua morte morire» (FI 927).

Calvino folgt seiner sizilianischen Quelle, dem Märchen Mastru Franciscu Mancia-e-sedi aus Giuseppe Pitrès Sammlung Fiabe, novelle e racconti popolari siciliani (1875), sehr eng, teilweise wörtlich übersetzt. Lediglich einige laut geäußerten inneren Monologe des faulen «scarpareddu»131 über sein schlimmes Schicksal werden ausgelassen, damit natürlich auch die Lebendigkeit der Erzählung gemindert, was jedoch durch die stärkere Versifizierung kompensiert wird: Ist bei Pitrè lediglich die metatextuelle Schlussformel als filastrocca gefasst,132 erweitert Calvino dies auf die zitierten drei Stellen am Ende des Märchens. Weitere Zusätze Calvinos betreffen die erzählerische Motivierung der Handlung, so nach der Entdeckung der wahren Natur der Signora durch die älteste Tochter, als «Mamma-Draga» ihre Anweisung, nicht unter dem Bett zu fegen, entsprechend mit bedrohlicher Stimme äußert,133 und als der ruhige Dienst des faulen Schusters im Palast der Orca explizite und schließlich fatale Folgen zeitigt: «Così passò un po’ di tempo e Siedi-e-mangia ingrassava, ingrassava» (FI 927). Insgesamt hält sich Calvino jedoch an seine Vorlage, ohne den Interpretationsansatz des Sammlers Salomone, der für Pitrè dieses Märchen von einer Francesca Leto erzählt bekam, zu teilen. Hatte der Folklorist des 19. Jahrhunderts im Volksmärchen die Ebene eines «apologhetto morale squisitissimo» gesehen, der zeige, wie die Ursünde der «accidia» gar dazu verleite, die eigenen Töchter an «una di quelle Megere, che fanno infame mercato dell’onore di pudiche donzelle» zu verkaufen und damit in die Sünde zu treiben,134 sieht Calvino keine allegorische Bedeutung (und keinen sexuellen Subtext), sondern betrachtet das Märchen als «commedia di costume, che pare nata dall’esperienza delle ragazze mandate a servizio nelle case signorili» (FI 1158), als gut geschriebene und unterhaltsame Sittenkomödie mit realistischem Sitz im Alltagsleben des Volkes. Kindersprache und volkstümlicher Realismus statt Sexualität und christlicher Moralisierung mithin, womit Calvino auf seiner Märchen-Linie bleibt.

Die letzte, im Kommentar zur Leitfassung Il lupo e le tre ragazze erwähnte entfernte Variante des Rotkäppchen-Typs stellt das Märchen 24 Le tre casette dar. Es handelt von drei Schwestern, die sich nach dem Tod der Mutter von drei Onkeln jeweils eine «casetta» (FI 160) bauen lassen. Die Behausungen aus «stuoie» und «legno» der beiden älteren halten dem Angriff des fressgierigen Wolfs nicht stand, während die «casetta di ferro» von Marietta, der jüngsten, dem Angreifer eine gebrochene Schulter beschert. Auch durch List kann der Wolf das Mädchen nicht bezwingen, drei Versuche, sie mit Verweis auf reife Feldfrüchte aus dem Haus zu locken, schlagen fehl, beim letzten versteckt sich das Mädchen in einer großen «zucca» (FI 162), die der Unhold unfreiwillig in ihr Haus zurückträgt. Zum Schluss versucht der Wolf noch, durch den Kamin einzudringen, landet jedoch in einem Topf kochenden Wassers: «Così la scaltra Marietta si liberò dal nemico e visse tranquilla per tutta la sua vita» (FI 163).

Wiederum hält sich Calvino eng an die Vorlage, Il lupo aus der Sammlung Fiabe mantovane von Isaia Visentini (1879), übernimmt daraus die dämonische Charakterisierung des Wolfs, der auf der Suche nach dem Mädchen «sentiva un odore di cristiano».135 Das Märchen reproduziert offensichtlich den Typ AT 124 Wolf im Schornstein, der ausgehend von englischen Märchenfassungen des 19. Jahrhunderts als Die drei kleinen Schweinchen weltbekannt und von Walt Disney 1933 verharmlosend verfilmt wurde,136 was auch Calvino in seinem Kommentar aufgreift: «È la notissima fiaba dei tre porcellini, che in questa versione mantovana ha una grazia nuova, con le tre sorelline che costruiscono le casette, invece dei tre animali, ma serba quel carattere di balletto ilare e pauroso, che Walt Disney trasmise a una delle sue creazioni più felici» (FI 1096). Die Verbindung zum Typ Rotkäppchen ist nur recht lose über den Wolf als überlisteten Fresser herzustellen, wie er so indes auch im zweiten Teil des Grimmschen Rotkäppchens137 vorkommt – ein Umstand, der zum dritten Teil dieses Beitrags überleitet.

3. Calvino, il ‹Grimm italiano›? Zu Pertinenz und Funktion einer Selbst-Zuschreibung

Die gern aufgegriffene Verbindung zwischen Italo Calvino und den Brüdern Grimm,138 gar seine Bezeichnung als ‹Grimm italiano›,139 die hier hinterfragt werden soll, geht in gewisser Weise auf den Autor selbst zurück, der, wie oben angesprochen, die Wortprägung zweimal zu Beginn seiner Introduzione in die Fiabe italiane gebraucht. Dabei erfolgt die erste fragende Erwähnung «Esisteva un ‹Grimm italiano›?» (FI 5) jedoch im metonymischen Sinn, der auf die beschriebene Suche nach einer italienischen Anthologie bezogen ist. Und auch die zweite Affirmation «Un ‹Grimm italiano› non venne alla luce» (FI 7) bezieht sich metonymisch auf die erfolglose Sichtung der existierenden folkloristischen Sammlungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Einen ‹Grimm› im Sinne eines vergleichbaren Märchenbuches gab es in Italien bis 1956 also nicht und von einer Selbstidentifikation Calvinos mit den Grimms kann zu diesem Zeitpunkt demnach nicht die Rede sein. Gleichwohl bilden die Brüder Grimm, wie gesehen, eine durchgängige Bezugsgröße für seine Arbeit am Märchen.

Diese Relation beginnt bei numerischen Aspekten, die für ein Mitglied von Oulipo wie Calvino keineswegs zu vernachlässigen sind: Seine Anthologie umfasst exakt 200 Märchen, genau wie die Ausgabe letzter Hand der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen. Hier kann wohl kaum von Zufall ausgegangen werden, während im Falle des folgenden Entsprechungsbeispiels auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben können: Das von Calvino als paradigmatische italienische Rotkäppchen-Version eingeführte Märchen Il lupo e le tre ragazze trägt bei ihm die Nummer 26, genau wie Grimms Rotkäppchen in den KHM. Da Calvino seine Märchen-Reise geographisch von Liguria bis nach Corsica ordnet, kann die Wahl der Leitfassung ausgerechnet vom Lago di Garda für Rotkäppchen durchaus auch numerologische Gründe gehabt haben, weitere Entsprechungen ebenfalls, aber darauf soll nicht insistiert werden. Es gilt vielmehr daran zu erinnern, dass Calvinos intensive Beziehung zu den Brüdern Grimm auf zahlreichen Ebenen aktiv ist.

Einige der zitierten Äußerungen Calvinos dienen der Absetzung des ‹italienischen› Märchenidealtyps vom ‹germanischen›, die er nicht frei von Nationalstereotypen versucht. So steht die erste Qualifizierung des deutschen Märchens als «[fiaba] cupa e truculenta» (FI 6) im Kontext einer antifranzösischen Invektive gegen die Denaturierung der Gattung im cartesianischen Rationalismus. In Anbetracht des Epochenumbruchs hin zur Romantik wirkt die düstere Beschreibung dann schon positiver und dem gewollten Kontrast geschuldet. Im Zusammenhang mit der versuchten Bestimmung eines autochthonen italienischen Märchens ist auch die Abgrenzung dieses Idealtyps von den bekannteren deutschen Texten zu sehen, deren Einfluss Calvino auf den Norden Italiens begrenzt sieht.140 Die Renaissance des Märchens «per opera dei fratelli Grimm» (FI 6) im romantischen Geist ist jedenfalls nicht negativ geschildert,141 ebenso wenig wie die knappe Einordnung der Grimmschen Methodik in Calvinos summarischen Überblick über die Märchenforschung, er betont dabei – nicht zu Unrecht – den patriotischen liberatorischen Geist der Unternehmung: «Per i Grimm era lo scoprire i frantumi d’una antica religione della razza, custodita dai volghi, da far risorgere nel giorno glorioso in cui, cacciato Napoleone, si risvegliasse la coscienza germanica» (FI 9).

Abwertende Verweise auf die Grausamkeit Grimmscher Märchen finden sich bei Calvino allerdings gehäuft, im Kommentar zu einzelnen Märchen, beispielsweise bei der Beschreibung Rotkäppchens als die «più cruda versione dei Grimm» (FI 1097),142 und auch in der Introduzione: «Non c’è qui quel continuo informe schizzar di sangue dei crudeli Grimm» (FI 47) heißt es hyperbolisch anlässlich der Qualifizierung des italienischen Märchens als harmonisch und weniger grausam. Die intendierte Kontrastierung von ‹italischem› und ‹germanischem› Idealtyp bestimmt demnach auch an dieser Stelle die gleichwohl unangemessen stereotype Wortwahl, die aus rhetorischem Kalkül erfolgt.

Die Bezugnahmen Calvinos auf die Brüder Grimm in seiner Introduzione sind insgesamt von Ambivalenz gekennzeichnet: Einerseits ernennt er sie zu Gründervätern der wissenschaftlichen Aufzeichnung oral tradierter Märchen,143 andererseits kritisiert er ihr Vorgehen als halbwissenschaftlich, da sie erstens auch gebildete Erzählerinnen als Quellen benutzt und zweitens die Texte philologisch und literarisch bearbeitet hätten.144 Letzteres sollte sich indes als besonders wichtige Parallele zum eigenen Vorgehen erweisen. Betont er zunächst seine Distanz zu den bekannten Brüdern, bedient sich der Referenz jedoch schützend für die eigene Tätigkeit,145 setzt er sein «programma di lavoro» (FI 15) schließlich offen in Beziehung zur ‹unwissenschaftlichen› literarischen Arbeit Wilhelm Grimms.146

Calvinos ‹Grimmsche› Methode bestand, wie gesehen, in Selektion, Übersetzung aus den zahlreichen Dialekten, Quellenkontamination und kreativer Komplettierung der benutzten Vorlagen, verbunden mit stilistischer Harmonisierung – und künstlerischer Formung der Texte. In diesem Spannungsfeld zwischen Konventionen und Invention bewegen sich die 200 Märchen Calvinos, der bei seinen Märchen-Umschreibungen eigene charakteristische Verfahren erkennen ließ, die hier exemplarisch an der Rotkäppchen-Sequenz analysiert wurden.

Dabei zeigte sich auf formaler Ebene die Tendenz, versifikatorische Aspekte in die Märchenprosa zu übertragen, rhythmisierende Wiederholungen von Handlungselementen und Dialogen zu intensivieren und gereimte Passagen als filastrocca einzufügen, was sich in den Vorlagen angelegt fand, wenn auch teilweise andersartig oder in geringerem Umfang umgesetzt. Sprachlich passte Calvino seine Märchen dem kindlichen Zielpublikum an, wozu auch die Reimpassagen zählen, die adressatenbezogenen Veränderungen betreffen jedoch auch inhaltliche Aspekte: Übermäßige Grausamkeit wurde getilgt oder zumindest abgemildert, Sexualität komplett zensiert. Narratologisch fällt eine stärkere erzählerische Motivierung der Handlung ins Auge, mögliche logische Brüche wurden antizipiert und gekittet, die Wahrscheinlichkeit des Geschehens und der Realismus damit erhöht. Grundprinzip von Calvinos Erzählweise ist auf jeden Fall die brevitas, was an der Kürze seiner Märchen sofort sichtbar wird. Auch eine Straffung der Handlungsführung durch Tilgung funktionsloser Elemente wie innerer Monologe der folkloristischen Vorlage ist zu beobachten, die der Multiplikation rhythmischer Elemente teilweise zuwider läuft, einerseits also Dehnung, andererseits Raffung der Erzähldauer. Damit in Einklang steht eine Passage in Calvinos Lezioni americane (1988), die dem Volksmärchen eine an Funktionalität orientierte Erzähltechnik attestiert: «trascura i dettagli che non servono ma insiste sulle ripetizioni, per esempio quando la fiaba consiste in una serie di ostacoli da superare. Il piacere infantile d’ascoltare storie sta anche nell’attesa di ciò che si ripete».147 Die erzählerischen Eingriffe bedeuten häufig auch eine psychologische Motivierung des Verhaltens der Märchenfiguren, wohingegen das Märchen als ‹archaische› Gattung in seiner «Flächenhaftigkeit»148 idealtypisch keine psychologische Tiefendimension aufweist – an diesem Punkt ist Calvino demnach zeitgemäß modern in seinem Versuch, menschliches Verhalten zu motivieren.

Das Verhältnis Calvinos zu seinen Vorlagen, den folkloristischen Sammlungen in positivistischer Tradition, ist paradox, einerseits von Würdigung der wissenschaftlichen Leistung, andererseits von ästhetischer Abwertung der ‹gelehrten› Texte und dem Bedauern über den Verlust der Authentizität oraler Tradierung geprägt. Entsprechend tilgt er in seinen Bearbeitungen stilistisch alle Sammlungsspuren der ‹inauthentischen› Vermittlungsinstanz, übernimmt die Quellen jedoch teilweise wörtlich respektive wörtlich übersetzt, wohl getreu seiner Absicht, das genuin «‹diverso› che proviene dal modo di raccontare del luogo e dall’accento personale del narratore orale» (FI 20) des Dialekttextes auch im Standarditalienischen zu erhalten.149 Der hier durchscheinende grundsätzliche Zwiespalt zwischen Volk und Dichterpersönlichkeit könnte durch die Erzählerpersönlichkeiten, «personalità di narratori e narratrici ben distinte» (FI 23), die Calvino bei Pitrès Sammlung bemerkt hatte, vermittelt werden, die an beiden Sphären partizipieren.

Im Gegensatz zur eigenen Auffassung, die Moral des Märchens sei stets implizit,150 ergänzt Calvino in einem Rotkäppchen-Märchen (49) eine explizite generalisierende Moral am Schluss, die zudem in der Vorlage nicht vorhanden war. Auffällig ist jedoch die laizistische Einstellung des Autors, der Elemente christlicher Moralisierung konsequent außen vor lässt, religiöse Reste wie die Dämonisierung des Fressers (24) jedoch inkonsequenterweise übernimmt.

In den Rotkäppchen-Märchen wurde im Kontext des Adressatenbezugs auf ein kindliches Publikum deutlich, dass die Stärkung der kindlichen Leser*innen mittels starker Märchenheldinnen von Calvino intendiert ist, das empowerment kleiner Mädchen findet sich in etlichen Texten verstärkt. Angesichts der oftmals fehlenden Rückbindung an eigenes kluges Verhalten oder charakterliche Qualitäten (26, 116) läuft dieses eigentlich äußerst positiv zu bewertende, pädagogisch motivierte Verfahren jedoch Gefahr, eher infantile Allmachtsphantasien zu bestärken. Zudem konterkariert diese Hyperbel ein anderes Verfahren Calvinos, den Realitätsbezug des Märchens nicht nur theoretisch zu betonen,151 sondern auch in seinen Bearbeitungen zu intensivieren.

Die Hinwendung zu Kindern als Zielpublikum korreliert mit Calvinos Rückgriff auf die Subgattung der «fiaba infantile», die er ja zunächst ex negativo als wenig geeignete Kinderliteratur im zeitgenössischen Sinne zitiert hatte, um einige Definitionselemente dann doch (modifiziert) in seinen Rotkäppchen-Märchen zu übernehmen: Das «tema pauroso e truculento» wird deutlich abgemildert, die «particolari scatologici o coprolalici» werden jedoch nahezu unverändert übernommen, und die «versi intercalati alla prosa con tendenza alla filastrocca» (FI 49) intensiviert Calvino erkennbar.

Es wurde deutlich, dass Calvinos Verfahren der Märchen-Umschreibung von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet sind, im vielschichtigen Spannungsfeld von Originalität und Authentizität, Realismus und Phantasie, Patriotismus und Internationalismus, Liberalismus und Puritanismus, Oralität und Literatur eine Harmonisierung anstreben, deren Bruchstellen jedoch sichtbar bleiben. In seinem Bemühen, ästhetisch anspruchsvolle populäre Volksmärchen ohne Folklorismus zu schreiben, erschafft Calvino eine neue italienische fiaba infantile mit großer Wirkung. Seine zitierte Verallgemeinerung eines genuin italienischen Märchentyps, der harmonischer und weniger grausam sei, stellt jedoch einen Zirkelschluss dar, denn die derart beschriebenen Märchen sind erst Produkte von Calvinos literarischer Bearbeitung, wie der Vergleich mit den benutzten Quellen ergeben hat.152

Calvinos Vorgehen ist natürlich auch in der Sekundärliteratur untersucht worden, so präsentiert Lavagetto eine «tipologia discreta, ma non approssimativa, degli interventi compiuti da Calvino»153 mit folgenden Lemmata: «accelerazione, contaminazione, enfatizzazione, aggiunta, invenzione, omissione, sostituzione, variazione».154 Diese Punkte sind gewiss zutreffend und decken sich teilweise mit Calvinos eigenem Arbeitsprogramm und den hier analysierten Verfahren. Die recht generische Liste wird zwar mit Unterpunkten etwas konkretisiert, verbleibt jedoch insgesamt im Allgemeinen und stützt sich zudem auf andere ausgewählte Märchen aus Calvinos Korpus als die hier untersuchten.

Der erste Punkt der Liste rekurriert erkennbar auf Calvinos postumes Werk Lezioni americane (1988), dessen Sei proposte per il prossimo millennio sein poetologisches Vermächtnis darstellen. Im zweiten geplanten Vortrag mit dem Titel «Rapidità» findet sich, wie oben zitiert, in der Tat eine interessante Bezugnahme auf das Märchen und seine «economia del racconto»,155 aber auch eine Selbstrechtfertigung des nach Harvard zu den Norton Lectures eingeladenen Autors für seine Beschäftigung mit Märchen:

Se in un’epoca della mia attività letteraria sono stato attratto dai folktales, dai fairytales, non è stato per fedeltà a una tradizione etnica (dato che le mie radici sono in un’Italia del tutto moderna e cosmopolita) né per nostalgia delle letture infantili (nella mia famiglia un bambino doveva leggere solo libri istruttivi e con qualche fondamento scientifico) ma per l’interesse stilistico e strutturale, per l’economia, il ritmo, la logica essenziale con cui sono raccontate.156

Diese Stilisierung rückt das narratologische Interesse des strukturalistisch gebildeten Schriftstellers in den Vordergrund, was einen zentralen Punkt darstellt, andere, wie die patriotische Propagierung eines genuin italienischen Märchentyps und den simplen Auftrag des Verlegers Einaudi jedoch außen vor lässt. Womöglich hat die von Calvino selbst vorgenommene Gleichsetzung des Märchenpublikums mit Kindern dazu beigetragen, dass der weltberühmte Dichter meinte, sich für seine Märchenanthologie rechtfertigen zu müssen.

Auf Calvinos Lezioni americane als wichtigen Paralleltext bezieht sich auch Cruso bei der Auflistung ihrer «quattro criteri fondamentali della rielaborazione calviniana»:157 «eliminazione di moduli stilistici e narrativi orali e popolari», «predilezione per gli aspetti ritmici», «necessità di una maggiore coerenza logica» und «accento ironico».158 Bis auf den letzten Punkt decken sich diese Beobachtungen mit den Ergebnissen der exemplarischen Analyse der Rotkäppchen-Märchen. Cruso bezieht sich zudem auf alle fünf publizierten Vorträge Calvinos und sieht in deren Licht seine zweijährige Beschäftigung mit den Fiabe italiane als «apprendistato poetico».159

Die ältere Studie von Beckwith kommt nach einer Detailanalyse von Calvinos Veränderungen im Vergleich zur Quelle bei sieben toskanischen Märchen nach Pitrè auf acht Kategorien: «Decreasing the narrator’s visibility, reducing retributive justice, condensing, conflating variants, rationalizing, bowdlerizing, reducing religion, and increasing the unity of the tales».160 Während sich viele Punkte wie Tilgung der Erzählerspuren, Kürzung, Harmonisierung, Variantenkontamination, Zensur und Laisierung mit den Ergebnissen der Rotkäppchen-Analyse decken und auch die logische und psychologische Motivierung als Rationalisierung gefasst werden kann, die von Beckwith allerdings als nicht märchengerecht kritisiert wird,161 kann von einer Abschwächung der Bestrafung für die Bösen keine Rede sein. Irritierenderweise erklärt Beckwith zudem seine schmale Analyse, vorgängiger kritischer Warnungen vor Verallgemeinerungen zum Trotz, schließlich selbst für allgemeingültig und warnt vor den Gefahren von Calvinos Anthologie.162 Die hier vorgenommene Untersuchung der Rotkäppchen-Sequenz beansprucht hingegen keine umfassende Gültigkeit für die gesamte Sammlung oder Calvinos Œuvre, wohl aber eine gewisse Exemplarität.

Calvinos Gesamtwerk auf intertextuelle Bezüge zum Märchen hin zu untersuchen, kann an dieser Stelle natürlich nicht intendiert sein, diese finden sich in unterschiedlicher Intensität recht verbreitet, so beispielsweise in seinem Werk La giornata d’uno scrutatore (1963), das in einem langen Prozess während seiner Arbeit am Märchen entstand und eine direkte Anspielung auf Rotkäppchen enthält.163 Kurz eingegangen werden soll jedoch auf zwei essayistische Texte des Autors, die schließlich zu den Brüdern Grimm zurückführen.

In seinem Vortrag Cibernetica e fantasmi (Appunti sulla narrativa come processo combinatorio) aus dem Jahr 1967, der später in die Sammlung Una pietra sopra (1980) aufgenommen wurde, zeichnet Calvino eine Art Urgeschichte der Literatur nach, die er beim «primo narratore della tribù»164 beginnen lässt. Diese initiale mündliche Erzählung setzt er mit dem Volksmärchen in Beziehung, das ebenfalls durch seine Kombinatorik gekennzeichnet sei:

La narrativa orale primitiva, così come la fiaba popolare quale si è tramandata fin quasi ai nostri giorni, si modella su strutture fisse, quasi potremmo dire su elementi prefabbricati, che permettono però un enorme numero di combinazioni […] combinazioni, permutazioni e trasformazioni illimitate.165

Der Text verweist erkennbar auf Calvinos Pariser Jahre, in denen er mit dem zeitgenössischen (Post-)Strukturalismus und auch Oulipo166 in engen Kontakt kam. Entsprechend wird der ‹Tod des Autors› nicht betrauert, die humane Dimension der Kultur jedoch auch nicht aufgegeben, die erwähnten «fantasmi»167 verweisen nämlich auf das Unbewusste, die unerwartete Bedeutung der Kunst für den Menschen. In Umkehrung der gängigen Reihenfolge proklamiert Calvino die Geburt des Mythos aus dem Volksmärchen, das für die Literatur als Ganze steht, und sieht die menschliche Kritikfähigkeit aus der Freiheit der (oralen) Literatur hervorgehen.168 Nach dieser Apotheose des Volksmärchens gilt es noch einen Text zu berücksichtigen, der unmittelbar auf Grimms Märchen bezogen ist.

Konzipiert für seine 1970 publizierte italienische Auswahlausgabe der Kinder- und Hausmärchen und später in die Sammlung Sulla fiaba (1988) eingegangen, stellt die Vorrede ‹Le fiabe del focolare› di Jacob e Wilhelm Grimm eine weitere direkte Auseinandersetzung Calvinos mit den deutschen Märchenbrüdern dar. Die Präsentation für ein breiteres Lesepublikum geht einerseits naiv vor, stellt den «popolo» als wahren Autor der Märchen in den Raum, vermittelt durch die «narratrici e i narratori dalla cui voce i Grimm le ascoltarono»,169 und präsentiert die Grimms als Begründer der wissenschaftlichen Folkloristik «proponendosi di rendere fedelmente con la scrittura la parola del popolo».170 Andererseits zeigt sich Calvino der Tatsache bewusst, dass es sich dabei um eine Treue im Geiste handelte,171 eine am Ideal des Volksmärchens ausgerichtete Neuerzählung und Rekonstruktion des Originals.172 Von Beginn an differenziert er die Brüder, nennt Jacob «ostinato e severo», während ihm Wilhelm, «il più gaio e il più poeta»,173 als der wahre Dichter der erfolgreichen Märchensammlung erschien. Der Erfolg der Kinder- und Hausmärchen habe gar ihre Märchen wieder in die orale Tradition (und die populäre Kultur) zurückkehren lassen und die Grimmschen ‹Originale› in Vergessenheit geraten lassen, was auf die außerdeutschen Kulturen und konkret auf das verlegerische Projekt bezogen ist, für das die Vorrede geschrieben wurde. In Grimms Märchen hebt Calvino die Kombination von bekannten Strukturen und Überraschungen – Konventionen und Invention könnte man im Anklang an seine Introduzione formulieren – als besonders unterhaltsam hervor.174 Am Beispiel seines erklärten Lieblingsmärchens, Der Mond (KHM 175), «dove la ‹voce› popolare e la sofisticazione letteraria fanno una cosa sola»,175 expliziert Calvino seine Vorstellung der glücklichen Verbindung von Volk und Märchen, vox populi und Kunst. Calvinos aus seiner Introduzione bekannten Positionen finden sich in diesem Text konzise wieder, konzentriert auf die Problematik der Autorschaft von Märchenherausgebern, die zum Abschluss nun thematisiert werden soll – ausgehend von Wilhelm Grimms bekannten Vorreden zu den Kinder- und Hausmärchen, in denen er seine Verfahren (verschleiert) umschreibt.

Wilhelm Grimms Vorrede zur zweiten Auflage der Kinder- und Hausmärchen von 1819 beginnt nostalgisch mit der bedauernden Feststellung des Verlustes der ehemals reichen Volksdichtung, von der nur ein Bruchteil überliefert wurde: «Es war vielleicht gerade Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltener werden» (KHM I, 15).176 Charakterisiert werden die «Hausmärchen» mit den Prädikaten «unschuldig» (KHM I, 15), «natürlich» (KHM I, 17), «Reinheit» (KHM I, 16) und «Wahrheit» (KHM I, 17), «Einfachheit» (KHM I, 23), «Unschuld» (KHM I, 23) und «prunklose Reinheit» (KHM I, 23), ihre Schutzwürdigkeit ergibt sich aus ihrer bloßen Existenz.177 Die Publikation dieser Volksmärchen diene einem doppelten, ja dreifachen Zweck, neben der wissenschaftlichen Überlieferung auch dem prodesse & delectare:

Das ist der Grund, warum wir durch unsere Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen wollten, sondern es zugleich Absicht war, daß die Poesie selbst, die darin lebendig ist, wirke und erfreue, wen sie erfreuen kann, also auch, daß es als ein Erziehungsbuch diene (KHM I, 16).

Nach der Schilderung der Sammlungsgenese und der lobenden Erwähnung von «fleißigen Sammlern» (KHM I, 18) und Gewährsleuten, insbesondere der Märchenerzählerin «Frau Viehmännin» (KHM I, 19), kommt Wilhelm auf die Bearbeitungskriterien zu sprechen.

Gegenüber der ersten Auflage sei der «erste Band fast ganz umgearbeitet, das Unvollständige ergänzt, manches einfacher und reiner erzählt» (KHM I, 21), insbesondere «geprüft, was verdächtig schien, d. h. was etwa hätte fremden Ursprungs oder durch Zusätze verfälscht sein können, und dann alles ausgeschieden» (KHM I, 21).178 Es geht also um original Germanisches und für die Sammlung kam es den Grimms «zuerst auf Treue und Wahrheit» (KHM I, 21) an:

Wir haben nämlich aus eigenen Mitteln nichts hinzugesetzt, keinen Umstand und Zug der Sage selbst verschönert, sondern ihren Inhalt so wiedergegeben, wie wir ihn empfangen hatten; daß der Ausdruck und die Ausführung des Einzelnen großenteils von uns herrührt, versteht sich von selbst, doch haben wir jede Eigentümlichkeit, die wir bemerkten, zu erhalten gesucht, um auch in dieser Hinsicht der Sammlung die Mannigfaltigkeit der Natur zu lassen (KHM I, 21).

Was hier treuherzig als Selbstverständlichkeit beschrieben wird, ist eigentlich das Eingeständnis umfangreicher erzählerischer Bearbeitung der Quellen, deren Inhalt möglichst getreu wiedergegeben sei, deren Stil jedoch die ‹Gattung Grimm› begründen sollte. Diese Überarbeitung stellte sich jedoch als komplex dar, denn «Aufmerksamkeit und ein Takt […] um das Einfachere, Reinere und doch in sich Vol[l]kommnere von dem Verfälschten zu unterscheiden» (KHM I, 21–22) waren vonnöten. Es ging den Grimms demnach angeblich um die Rekonstruktion eines authentischen Originals, nicht um willkürliche dichterische Bearbeitungen volkstümlicher ‹natürlicher› Traditionen, von einer solchen hypothetischen Vorgehensweise setzen sie sich entschieden ab: «Die einzige Richtschnur wäre dann die von seiner Bildung abhängige, gerade vorherrschende Ansicht des Dichters, während bei jenem natürlichen Fortbilden der Geist des Volkes in dem Einzelnen waltet und einem besonderen Gelüsten vorzudringen nicht erlaubt» (KHM I, 23). Die Invektive gegen modisch-individuelles Dichten auf Kosten des ewigen Volksgeistes setzt sich weiter fort, richte sich jedoch «nur gegen sogenannte Bearbeitungen […], welche die Märchen zu verschönern und poetischer auszustatten vorhaben, nicht gegen ein freies Auffassen derselben zu eignen, ganz der Zeit angehörenden Dichtungen, denn wer hätte Lust, der Poesie Gränzen abzustecken? » (KHM I, 24). Der Freiheit des Autors ist damit eigentlich Lizenz erteilt, es komme auf die Intention und empathische Umsetzung der Bearbeitung an.

Die Vorreden der weiteren Auflagen erwähnen weitere Überarbeitungen mit dem Ziel, der «Vollständigkeit» (KHM I, 24) näher zu kommen, wie es zur dritten Auflage 1837 heißt, auch seien Märchen durch «aus mündlichen Erzählungen gewonnene Züge ergänzt und bereichert» (KHM I, 24) worden, die wissenschaftlichen Anmerkungen in einen separaten Band ausgelagert. Nicht ohne Stolz schreibt Wilhelm Grimm vom Rezeptionserfolg der Kinder- und Hausmärchen gerade auch im Ausland, den er der Überlieferungstreue, dem «Reichtum und der Mannigfaltigkeit der Sammlung» zuschreibt, aber auch dem «ungesuchte[n] Ausdruck» (KHM I, 25), seinem ‹Märchenton› mithin. Auch der wissenschaftliche Anspruch wird betont, der mythologische Ursprungskontext habe «sich in mancher überraschenden Verwandtschaft mit alten Göttersagen bewährt» (KHM I, 26). Die knappen Vorreden der weiteren Auflagen (1840, 1843) erwähnen die Vervollständigung des Korpus, Hinweise zur Bearbeitungspraxis bietet wieder die Vorrede zur sechsten Auflage 1850, in der Wilhelm von seinen Bemühungen schreibt, «Sprüche und eigentümliche Redensarten des Volks, auf die ich immer horche, einzutragen» (KHM I, 27), demnach seinen Märchenstil folkloristisch eklektisch zu komplettieren.

Wilhelm Grimms dichterische Bearbeitung der oralen (und literarischen) Quellen beharrt zwar auf der Volksmärchenfiktion, gestattet sich bei der Rekonstruktion der ‹authentischen› germanischen Märchen jedoch weitgehende stilistische Freiheit und philologische Eingriffe bei der Selektion und Kontamination der Vorlagen.179 Dies alles korreliert mit Calvinos Konzepten und Verfahren: Die vorgebliche einfache Reinheit der Volksmärchen findet sich bei ihm als «semplicità» (FI 6) und «freschezza d’autenticità» (FI 14), auch sein Anliegen ist dialektale Vielfalt und Vollständigkeit, er übersetzt analog aus den verschiedenen Dialekten, schließt nicht-standardsprachliche Texte im Gegensatz zu den Grimms gar völlig aus, versucht dabei aber, Eigenarten der volkstümlichen Quellen zu übernehmen. Grimms germanische Ursprungsmythologie findet ihre Entsprechung in Calvinos patriotischer Propagierung einer «ricchezza e limpidezza e variegatezza» (FI 11) der autochthonen italienischen Tradition, wobei jeweils ‹Fremdes› auszuschließen oder zu vermeiden ist. Das ‹Volk› bildet für beide Autoren die nominelle Referenzgröße, die eigene dichterische Freiheit wird aber ausgedehnt genutzt und verteidigt. Auch der Bezug auf ein kindliches Publikum ist beiden Herausgebern gemeinsam, neben dem Titel ihrer Sammlung sprechen auch explizite Aussagen der Grimms in dieser Beziehung Bände: «Dabei haben wir jeden für das Kinderalter nicht passenden Ausdruck in dieser neuen Auflage sorgfältig gelöscht» (KHM I, 17).

Die Rolle Wilhelm Grimms als literarischer Autor von Märchen, nicht bloß wissenschaftlicher Herausgeber volkstümlicher Erzählungen, wurde im Verlaufe dieser Analyse immer deutlicher. Eine radikal zugespitzte Lektüre der Kinder- und Hausmärchen legt in diesem Zusammenhang Schmiele vor, die den Autor im Suchbild, so der Titel ihrer Studie, in den Märchen der Brüder Grimm zu enthüllen versucht. Jacobs und Wilhelms fünfzig Jahre währende Arbeit am Text, dem «work in progress»180 der KHM, begründe eine bewusste, aber verschleierte Autorschaft am literarischen Text der Buchmärchen, die von Folklore abzugrenzen seien.181 An späterer Stelle wird die Autorschaft auf Wilhelm konzentriert182 und der Grimmsche ‹Märchenton› als «einstimmige Polyphonie»183 beschrieben. Dieses «Bekenntnis durch die Maske» begründe den «Eindruck von Authentizität»184 der KHM, die anti-biedermeierlich subversiv zu Ungehorsam und Freiheit aufriefen. Mag manche These der Autorin überspitzt oder unbelegt erscheinen,185 liegt die eindeutige Zuschreibung literarischer Autorschaft im emphatischen Sinn an den ‹Märchenbruder› Wilhelm Grimm ganz auf der Linie unserer Argumentation.

Calvino erscheint nach dieser Beleuchtung der Parallelen durchaus als ‹Grimm italiano›, der sich der großen Vorbilder nicht nur für seine Herausgebertätigkeit, sondern vor allem für seine dichterische Bearbeitung bedient.186 Gerade Wilhelm Grimm fungiert hier als Rechtfertigung für seine eigene Arbeit am Märchen, die in folkloristisch verbrämte, aber originär literarische Autorschaft mündet. Beide spielen dabei nicht immer mit offenen Karten und manipulieren die Leserschaft durch geschickte Treuherzigkeit. Bei den Grimms beginnt dieses Spiel bereits mit dem Motto, das sie ab der sechsten Auflage 1850 den Kinder- und Hausmärchen voranstellen: Das knapp mit «Hesiod, 763» nachgewiesene Zitat «Sage vergeht nie ganz, die verbreitete, welche der Völker redende Lippe umschwebt: denn sie ist unsterbliche Göttin» (KHM I, 10) entstammt Hesiods EPΓA KAI HMEPAI und wurde nicht nur falsch übersetzt, sondern auch seines Kontextes beraubt. Im dritten Teil seines Werks gibt Hesiod nämlich Ratschläge zum rechten Verhalten des Menschen dem Nächsten und dem Göttlichen gegenüber, die mit Reinheitsgeboten enden. Gutes Handeln vermeide schlechten Ruf (φήμη), der leicht zu erlangen, aber schwer wieder loszuwerden sei. Daran schließen sich die zitierten Verse 762–763 an, die korrekt übersetzt lauten: «Nie nämlich verliert sich ganz ein Gerücht, das viele Menschen verbreiten; ja es ist selbst eine Art von Gott [ϑεός]».187 Was als abschreckende Mahnung vor eindeutig schlechtem Ruf gemeint war, wird durch die Dekontextualisierung und neutrale Übersetzung mit «Sage», die bei den Grimms ja synonym für Märchen stehen kann, zur antik autorisierten positiven Apotheose der Ewigkeit des Volksmärchens.

Italo Calvino und Wilhelm Grimm haben beide zu unterschiedlichen, aber vergleichbaren Zeiten in intensiver stilistischer Auseinandersetzung mit volkstümlichen Quellen einen eigenen ‹Märchenton› kreiert, der den jeweiligen deutschen oder italienischen Märchen-Idealtyp, den sie zu rekonstruieren vorgaben, eigentlich erst erschaffen hat. Für Calvino und sein literarisches Œuvre erwies sich die intensive Auseinandersetzung mit der Gattung Märchen als fruchtbare Zeit poetologischer Reflexion und künstlerischer Selbstvergewisserung zwischen Kombinatorik und Poesie, contraintes & liberté.

Bibliographie

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  1. Vgl. https://italocalvino.org/eventi/; https://biblioteche.cultura.gov.it/it/notizie/notizia/Italo-Calvino-Centenario-della-nascita/ (8.9.2023).
  2. Vgl. den Hinweis «Certains membres sont excusés pour cause de décès» vor der Mitgliederliste in: Oulipo Abrégé 2002, 62 und die ‹ewige› Liste der Oulipiens auf https://oulipo.net/fr/oulipiens (8.9.2023).
  3. Kapp 2007, 366.
  4. Für den Herbst 2023 ist in Frankfurt am Main eine Tagung geplant: «Italo Calvino 100: Itinerari infiniti – Unerschöpfliche literarische Wanderwege», 9./10.11.2023, Deutsch-Italienische Vereinigung e.V., www.div-web.de.
  5. Vgl. «The key to a comprehensive perspective of Calvino lies in the fact that he portrays the world around him in the same way it is portrayed in the traditional fable» (Adler 1979, 121 et passim); Bacchilega 1989; Barsotti 2006, 79 u. Barsotti 2020; «the primary role given to the folktale in Italo Calvino’s fictions» (Benson 2003, 67); Canepa 2015, 83; Deidier 2004, 41; mit anderer Gewichtung Nistico 2006, 113.
  6. Vgl. auch die Differenzierung in vier hypothetische Lesertypen bei Lavagetto 2012, xxi–xlvii.
  7. Im Folgenden zitiert mit der Sigel FI und der Seitenzahl nach der in der Bibliographie aufgeführten Ausgabe der Fiabe italiane (2012); alle Kursivierungen in Zitaten stammen aus dem jeweiligen Original.
  8. Vgl. Cruso 2007, 16.
  9. Zu den beiden frühen italienischen Märchensammlungen vgl. auch Canepa 1997 u. 1999; Klotz 2002, 31–53; Neuhaus 2005, 53–63; Zipes 2001.
  10. Vgl. «Charles Perrault aveva inventato un genere, e finalmente ricreato sulla carta un prezioso equivalente di quella semplicità di tono popolare in cui la fiaba s’era tramandata di bocca in bocca fin’allora. Il genere diventò di moda, snaturandosi: nobildonne e précieuses si diedero a trascrivere e ad inventar fiabe; infiorata e candita nei quarantun volumi del Cabinet des Fées la fiaba prosperò e morì nella letteratura francese col gusto del gioco di fantasia elegante e temperato di simmetrica razionalità cartesiana» (FI 6).
  11. Vgl. auch Cusatelli 1988, 103.
  12. Zu den biographischen Eckdaten Calvinos vgl. Cruso 2007, 11–14 und die ausführliche Cronologia in den Publikationen bei Mondadori (Stand 1991), beispielsweise in: Calvino Sulla fiaba 2009, ix–xxxviii, zum kommunistischen Intermezzo bes. xiv–xxiii.
  13. Vgl. «Ci parve che forse solo adesso esistevano le condizioni per fare un libro così» (FI 8), was sich nicht nur auf den Stand der Märchenforschung beziehen lässt, sondern auch auf den patriotischen Moment der Nachkriegszeit, die von einem neuen demokratischen Nationalismus geprägt war, vgl. die Wertung Rodaris bei Boero1999, 164; vgl. auch Cusatelli 1988, 106.
  14. Vgl. «sprovvisto d’occhiali dottrinari» (FI 10) in Fortsetzung der Tauch-Metaphorik.
  15. Vgl. «Ora, il viaggio tra le fiabe è finito, il libro è fatto, scrivo questa prefazione e ne son fuori: riuscirò a rimettere i piedi sulla terra? Per due anni ho vissuto in mezzo a boschi e palazzi incantati, col problema di come meglio vedere in viso la bella sconosciuta che si corica ogni notte al fianco del cavaliere, o con l’incertezza se usare il mantello che rende invisibile o la zampina di formica, la penna d’aquila e l’unghia di leone che servono a trasformarsi in animali. E per questi due anni a poco a poco il mondo intorno a me veniva atteggiandosi a quel clima, a quella logica, ogni fatto si prestava a essere interpretato e risolto in termini di metamorfosi e incantesimo: e le vite individuali, sottratte al solito discreto chiaroscuro degli stati d’animo, si vedevano rapite in amori fatati, o sconvolte da misteriose magie, sparizioni istantanee, trasformazioni mostruose, poste di fronte a scelte elementari di giusto o ingiusto, messe alla prova da percorsi irti d’ostacoli, verso felicità prigioniere d’un assedio di draghi; e così nelle vite dei popoli, che ormai parevano fissate in un calco statico e predeterminato, tutto ritornava possibile: abissi irti di serpenti s’aprivano come ruscelli di latte, re stimati giusti si rivelavano crudi persecutori dei propri figli, regni incantati e muti si svegliavano a un tratto con gran brusio e sgranchire di braccia e gambe» (FI 12).
  16. Vgl. den Zitatkontext: «Sono, prese tutte insieme, nella loro sempre ripetuta e sempre varia casistica di vicende umane, una spiegazione generale della vita, nata in tempi remoti e serbata nel lento ruminio delle coscienze contadine fino a noi; sono il catalogo dei destini che possono darsi a un uomo e a una donna, soprattutto per la parte di vita che appunto è il farsi d’un destino: la giovinezza, dalla nascita che sovente porta in sé un auspicio o una condanna, al distacco dalla casa, alle prove per diventare adulto e poi maturo, per confermarsi come essere umano. E in questo sommario disegno, tutto: la drastica divisione dei viventi in re e poveri, ma la loro parità sostanziale; la persecuzione dell’innocente e il suo riscatto come termini d’una dialettica interna ad ogni vita; l’amore incontrato prima di conoscerlo e poi subito sofferto come bene perduto; la comune sorte di soggiacere a incantesimi, cioè d’essere determinato da forze complesse e sconosciute, e lo sforzo per liberarsi e autodeterminarsi inteso come un dovere elementare, insieme a quello di liberare gli altri, anzi il non potersi liberare da soli, il liberarsi liberando; la fedeltà a un impegno e la purezza di cuore come virtù basilari che portano alla salvezza e al trionfo; la bellezza come segno di grazia, ma che può essere nascosta sotto spoglie d’umile bruttezza come un corpo di rana; e soprattutto la sostanza unitaria del tutto, uomini bestie piante cose, l’infinita possibilità di metamorfosi di ciò che esiste» (FI 13).
  17. Vgl. «Proprio ‹scientifici› come oggi s’intende i Grimm non furono, ossia lo furono a metà» (FI 14).
  18. Vgl. die charakteristisch ambivalente Bezugnahme: «facendomi scudo di nomi così famosi e così distanti» (FI 14).
  19. Vgl. «la natura ibrida del mio lavoro, che è anch’esso ‹scientifico› a metà, o se vogliamo per tre quarti, e per l’ultimo quarto frutto d’arbitrio individuale. È scientifica infatti la parte di lavoro che hanno fatto gli altri, quei folkloristi che nello spazio d’un secolo hanno messo pazientemente sulla carta i testi che mi sono serviti da materia prima» (FI 14).
  20. Anderson 1958, 283; aus der Perspektive des Volkskundlers und Märchensammlers beurteilt Anderson Calvinos wissenschaftliche Leistung tatsächlich streng, aber äußerst gründlich und nimmt sie zum Anlass, die fehlende Klassifikation nach Aarne/Thompson von Calvinos Märchen selbst nachzutragen (286–287); zur Valorisierung von Calvinos wissenschaftlicher Arbeit vgl. auch Cirese 1988; ablehnend dagegen Mugnaini 1988, 140.
  21. Vgl. «su questo loro lavoro s’innesta il lavoro mio» (FI 14).
  22. Vgl. «Eppure, un modo giusto oggi di raccogliere le fiabe dalla bocca del popolo ci dev’essere, un modo moderno, che si valga della maggiore coscienza storica e sociale e psicologica che oggi abbiamo; ed è questo che m’auguro: che il mio libro serva a ravvivare in Italia un interesse per queste ricerche, e tra i nostri studi di folklore tornino ad avere il posto dovuto quelli sulla novellistica popolare, e le lacune esistenti per molte regioni vengano colmate, e soprattutto siano ricerche intelligenti, aggiornate sulle esperienze straniere più nuove e interessanti compiute in questo campo» (FI 15–16).
  23. Vgl. «Si sa pure che solo una parte delle fiabe dei Grimm furono raccolte dalla bocca del popolo (essi ricordano soprattutto una contadina d’un villaggio presso Cassel); molte furono riferite da persone colte, come ricordavano d’averle sentite narrare nell’infanzia dalle loro nutrici» (FI 14).
  24. Perrault 2012, 90, aus der Préface der Contes en vers 1695, in der analog als Märchenerzählerinnen auch eine «vieille femme» und an späterer Stelle eine «nourrice» und «mie» (95) Erwähnung finden.
  25. Vgl. «Per quel che riguarda la ‹fiaba› vera e propria, – cioè il racconto magico e meraviglioso, che di solito parla di re di paesi indeterminati, – tutti i ‹tipi› di qualche importanza sono rappresentati da una o più versioni che mi sono sembrate le più rappresentative, le meno schematiche, e le più impregnate dello spirito dei luoghi (spiegherò meglio più avanti questo concetto). Nel libro, poi, sono sparse anche leggende religiose, novelle, favole d’animali, storielle e aneddoti, qualche leggenda locale: insomma componimenti narrativi popolari di vario genere in cui mi sono imbattuto nella mia ricerca e che m’hanno colpito per la loro bellezza, oppure che mi sono serviti a rappresentare regioni in cui di fiabe vere e proprie o non ne ho trovate o erano versioni troppo povere e comuni per esser prese in considerazione» (FI 16).
  26. Vgl. «Per dialetti italiani ho inteso quelli dell’area linguistica italiana, non quelli dell’Italia politica. Quindi ho preso in considerazione le fiabe del Nizzardo e non quelle della Val d’Aosta, quelle di Zara e non quelle dell’Alto Adige. Ho fatto un’eccezione per i Greci di Calabria di cui ho pubblicato due fiabe» (FI 17).
  27. Vgl. «Le fiabe, si sa, sono uguali dappertutto. Dire ‹di dove› una fiaba sia non ha molto senso» (FI 17).
  28. Vgl. «Non sarò insensibile a queste espressioni di scontento, perché sentirò in esse riecheggiare scontentezze mie, che m’hanno sovente assalito durante il lavoro» (FI 19).
  29. Vgl. «Prevedo già molte delle critiche che m’aspettano. Chi predilige il testo popolare genuino non mi potrà perdonare d’averci ‹messo le mani› e anche soltanto d’aver preteso di ‹tradurre›. Chi d’altra parte rifiuta il concetto di ‹poesia popolare›, m’accuserà di timidezza e mancanza di libertà e pigrizia, per i miei scrupoli di fedeltà e le pretese di documentazione; insomma per non aver fatto, sullo spunto di qualche tema popolare che particolarmente m’ispirasse, un’opera completamente mia, come nella tradizione dei nostri novellieri classici, o come le fiabe letterarie settecentesche o romantiche, o come l’Andersen» (FI 18–19).
  30. Vgl. Aprile 2000; in seiner Introduzione geht der Autor gleich eingangs auf Calvinos Anthologie als Bezugsgröße wissenschaftlicher Forschung ein (v).
  31. Vgl. «Ed è dalla Toscana e dalla Sicilia che ci vengono le due raccolte più belle che l’Italia possieda. Sono le Sessanta novelle popolari montalesi di Gherardo Nerucci e le Fiabe, novelle e racconti popolari siciliani di Giuseppe Pitrè. L’uno è un libro in un bizzarro vernacolo del contado pistoiese, presentato come testo di lingua e bella lettura; è il libro d’uno scrittore. L’altro consiste in quattro volumi che contengono, ordinati per genere, testi in tutti i dialetti della Sicilia, con gran cura di darne la documentazione più precisa possibile, zeppi di postille con ‹varianti e riscontri›, note lessicali e comparatistiche; è il libro d’uno scienziato. Tutt’e due rappresentano, per vie diverse, un optimum di possibile restituzione sulla carta di quella particolare e labile arte che è il raccontare a voce» (FI 22–23).
  32. Vgl. «Qual è il segreto della raccolta? È che con essa usciamo dall’astratta idea del ‹popolo› raccontatore, e ci poniamo di fronte a personalità di narratori e narratrici ben distinte, segnate quasi sempre con nome e cognome, età e mestiere» (FI 23).
  33. Vgl. «L’Umbria è l'unica regione che non è rappresentata nel mio libro. Parrà cosa assurda a chi ha in mente certi gioielli della poesia popolare umbra, specialmente sacra; ma nel nostro campo non ho trovato nulla d’utilizzabile. […] Spero d’aver modo di colmare questa lacuna in una prossima edizione» (FI 39).
  34. Zu Theorien und Methoden der Märchenforschung vgl. Pöge-Alder 2016; Voigt 2010.
  35. Eine weitere Version aus Liguria wurde unter dem Titel Il pastore che non cresceva mai als Nummer 8 abgedruckt.
  36. Vgl. «Non c’è qui quel continuo informe schizzar di sangue dei crudeli Grimm; è raro che la fiaba italiana raggiunga la truculenza, e se è continuo il senso della crudeltà, dell’ingiustizia anche disumana, come elemento con cui si devono sempre fare i conti, se i boschi echeggiano anche qui dei pianti di tante mai fanciulle o spose abbandonate con le mani mozze, la ferocia sanguinaria non è mai gratuita, e la narrazione non si sofferma a infierire sulla vittima, neppure con un’affettazione di pietà, ma corre verso la soluzione riparatrice. Soluzione che comprende la rapida, e qui sempre spietata, giustizia sommaria del malvagio» (FI 47).
  37. Vgl. «Nelle mie stesure, per le quali ho dovuto tener conto dei bambini che le leggeranno o a cui saranno lette, ho naturalmente smorzato ogni carica di questo genere» (FI 49).
  38. Vgl. «La fiaba infantile esiste sì, ma come genere a sé, trascurato dai narratori più ambiziosi, e perpetuato attraverso una tradizione più umile, familiare, con caratteristiche che si possono sintetizzare nelle seguenti: tema pauroso e truculento, particolari scatologici o coprolalici, versi intercalati alla prosa con tendenza alla filastrocca. […] Caratteristiche in gran parte (truculenza, scurrilità) opposte a quelli che sono oggi i requisiti della letteratura infantile» (FI 49).
  39. In Fortführung seiner Überlegungen zur Moral des Märchens im Kontext der Geschichte Il pappagallo kommt Calvino zum klassenkämpferischen Schluss, dass im Spiel von Variation und Kreation die Freiheit des Volkes im geschickten Märchenerzählen liege: «Ed è là per noi la sua morale vera: alla mancanza di libertà della tradizione popolare, a questa legge non scritta per cui al popolo è concesso solo di ripetere triti motivi, senza vera ‹creazione›, il narratore di fiabe sfugge con una sorta d’istintiva furberia: lui stesso crede forse di far solo delle variazioni su un tema; ma in realtà finisce per parlarci di quel che gli sta a cuore» (FI 50).
  40. Vgl. «La tecnica con cui la fiaba è costruita si vale insieme del rispetto di convenzioni e della libertà inventiva» (FI 50).
  41. Vgl. dazu beispielsweise den ausführlichen Beitrag «La mathématique dans la méthode de Raymond Queneau» von Jacques Roubaud in: Oulipo Atlas 1990, 42–72; sekundär zur Verbindung von Oulipo mit den Fiabe italiane auch Benson 2003, 79.
  42. Calvino spricht von Anfang an von «comporre questo libro» (FI 5).
  43. Vgl. FI 55.
  44. Vgl. Aarne / Thompson 1964, 125: «The Glutton. (Red Riding Hood)»; Überblicksartikel von Kawan 2004; Zipes 2015, 301–302.
  45. Vgl. Perrault 2012, 195–200.
  46. Vgl. Brüder Grimm 1999, I, 156–160; einen Überblick bietet Uther 2021, 63–68.
  47. Vgl. Delarue 1951–1953; Fabritius 2010, 37–54; Jones 1987; Kawan 2013; La Genardière 1993; Messner 2007; Ritz 2013, 7–18; Rumpf 1989; Soriano 1977, 148–160; Zipes 1982, 15–22; Zipes 1993, 17–25; psychoanalytische Deutungen der sexuellen Dimension des Märchens wie Dundes 1989 legen naturgemäß andere Schwerpunkte.
  48. Vgl. die Version in: Delarue / Tenèze I (1957), 373–383; mit tödlichem Ausgang dagegen die ebenfalls im 19. Jahrhundert aufgezeichnete Version bei Collognat / Delmas 2007, 322–324.
  49. Vgl. Rak, 2007, 114–116; Soriano 1977, 148–160.
  50. Perrault 2012, 200.
  51. Vgl. Tieck 1828, 327–362.
  52. Brüder Grimm 1999, III, 59 (Originalanmerkung der Grimms aus der dritten Auflage 1856 des III. Bandes der KHM).
  53. Vgl. Rölleke 1988 u. 2012 sowie seine zahlreichen früheren, dort verzeichneten Untersuchungen; Ewers 2013; Martus 2010 203–222; Mayer/Tismar 2003, 85–88; zur Beziehung der Grimms zur italienischen Märchentradition vgl. Lauer 2006, 45–50.
  54. Brüder Grimm 1999, I, 156.
  55. Vgl. Schmiele 2020, 138–143.
  56. Vgl. «Cappuccetto rosso, fiaba che non si può dire popolare in Italia, dev’essere giunta sul Garda dalla Germania (nel finale è simile alla versione di Grimm anziché a quella di Perrault)» (FI 1097).
  57. Die knappe Erwähnung der drei Versionen bei Despinette (1988, 183) rekurriert vor allem auf Bilderbücher.
  58. Vgl. Balladoro 1905/1979, 46–47.
  59. Vgl. «Le rime a filastrocca nel dialogo col lupo sono un arbitrio mio, per seguire l’avvio d’una battuta dell’originale» (FI 1097); aus Reimgründen wurde auch aus den dialektalen «spongàde» (Balladoro 1905/1979, 46) der Quelle, «una specie di panettoncini» (FI 1097), die «torte».
  60. Balladoro 1905/1979, 46; Calvino kommentiert: «Ho omesso poi una progressione troppo truculenta per questo tenue contesto: il lupo uccide la madre e dei nervi fa la corda del saliscendi, della carne una focaccia, del sangue vino. La bambina tirando il saliscendi dice: Che corda molegata che te gh’è, mama, e così continua, mangiando la focaccia e bevendo il vino» (FI 1097).
  61. Vgl. «Era una torta che lei aveva preparato prima apposta, con dentro tanti chiodi» (FI 167); bei Balladoro verwendet die putèla «’n’ ucia» (Balladoro 1905/1979, 46), was er mit «ago» übersetzt (47).
  62. Vgl. «– Come sei diventata nera, mamma! – Sono stati tutti i mali che ho avuto, bambina, – disse il lupo. – Come t’è venuta la testa grossa, mamma! – Sono stati tutti i pensieri che ho avuto, bambina.» (FI 167).
  63. Balladoro 1905/1979, 46.
  64. Vgl. «Dopo, sta putèla la va en leto, sempre credendo che la fusse so mama. – Son el loo, el ghe disse lu, e adesso te magno» (Balladoro 1905/1979, 46).
  65. Für einen vollständigeren Überblick vgl. Aprile 2000, 500–520.
  66. Vgl. «Secondo gli studiosi Cappuccetto rosso non è mai stata una fiaba ‹popolare›, né in Italia né altrove, perché la sua fama si basa non su di una tradizione orale ma sul freschissimo Petit Chaperon rouge di Perrault, ritmato come un balletto, o sulla più cruda versione dei Grimm. Così, esattamente fedeli a questa tradizione letteraria si presentano i riscontri italiani (tutti settentrionali)» (FI 1097).
  67. Vgl. «A buta an testa la scuffia dla nona, s’anfila côma peul sua camisa da neuit, e s’ côgia ant el let a so post» (Farinetti 1926, 95).
  68. Farinetti 1926, 97.
  69. Die beiden Texte finden sich im zweiten Band der Sammlung Zorzùt (1925/1982) unter den Titeln Bareta rossa (12–14) und Baritine rosse (93–95 [nicht 33]).
  70. Zorzùt 1925/1982, 12.
  71. Zorzùt 1925/1982, 93.
  72. Zorzùt 1925/1982, 13.
  73. Vgl. «e a mi mi ân dât una butucia di pan e pleina una gea di vin par ch’i fâsi una marinda» (Zorzùt 1925/1982, 14).
  74. Zorzùt 1925/1982, 93.
  75. Zorzùt 1925/1982, 95.
  76. Als Erzählerin des ersten, 1920 aufgezeichneten Märchens nennt Zorzùt «Lucia Dorigo, d’anni 16, di coltura elementare, casalinga» (III 1926/1982, 190), während das zweite Märchen 1922 von der deutlich älteren «Caterina Braida ved. Minèu, d’anni 50, di coltura elementare, casalinga» (III 1926/1982, 191) erzählt wurde, der Bildungshintergrund ist bei beiden jedoch vergleichbar.
  77. Vgl. Schneller 1867, 9.
  78. Schneller 1867, 9; bei Delarue / Tenèze ist beispielsweise von «celui des Aiguilles ou celui des Épingles» (I 1957, 373) die Rede, während Perrault die beiden Wege unbestimmt lässt: «je m’y en vais par ce chemin ici, et toi par ce chemin-là» (Perrault 2012, 197).
  79. Vgl. Anderson II (1929/1960), Nr. 30, 31, 45 und III (1933/1960), Nr. 84, 85, 86.
  80. Vgl. Anderson II (1929/1960), 35–36, 56 und III (1933/1960), 45–48, wo direkt nach dem Märchentext Namen, Alter, Klasse, Wohn- und Geburtsort der Kinder (5 Jungen, 1 Mädchen) genau vermerkt ist; die Sprache ist Italienisch, nur die beiden letzten werden im Dialekt mit Übersetzung wiedergegeben.
  81. Vgl. Anderson II (1929/1960) «uova» (35), «roba da mangiare» (36), «questo vaso di burro e questa ciambella» (56), Anderson III (1933/1960) «delle focaccie» (45).
  82. Anderson II (1929/1960), 36.
  83. Vgl. Anderson II (1929/1960), 36.
  84. Vgl. Anderson II (1929/1960), 56 (5 Fragen nach Perrault, Anderson III (1933/1960), 46 (3 resp. 2 Fragen, die als Besonderheit auch die Körperbehaarung betreffen).
  85. Vgl. Anderson III (1933/1960) «fiul [figliuolo]», gleichwohl bezeichnet er sich als «el nòst Capucin ras» (46).
  86. Anderson III (1933/1960), 46; weitere seltsame Elemente sind die direkte Aufforderung des Wolfs an den Jungen, mit ihm zu schlafen («Quand t’vin a chêsa, ciud la finèstra e vin durmi sa mé», 46) sowie das eben zitierte, auch wiederholte, aber unmotivierte Motiv des Fensters.
  87. Dieser Text fehlt zudem erstaunlicherweise im umfangreichen Index von Aprile 2000.
  88. Diese Lesart wird gestützt durch die Bewertung, die Calvino zum Märchen 116 in Verbindung mit diesem abgibt: «Può considerarsi, come quella del Garda, una delle poche versioni popolari raccolte in Italia di Cappuccetto Rosso (cfr. nota alla nostra 26)» (FI 1137).
  89. Vgl. Delarue / Tenèze I (1957), 373–383.
  90. Die Vorlage spricht eindeutiger vom Ertrinken, vgl. De Nino III (1883), 69.
  91. Vgl. «Ha tutte le caratteristiche che distinguono nella tradizione popolare le fiabe per bambini: crudeltà truculenta, menzione dei bisogni corporali, e domande e risposte a filastrocca. Particolare realistico: la casa è una vera casa di contadini, con un solo letto, e con la stalla sotto.» (FI 1137).
  92. De Nino III (1883), 67.
  93. De Nino III (1883), 68, wobei Calvinos Variante dort bereits Erwähnung findet: «In qualche paese, si dice che vi legasse una capra».
  94. De Nino III (1883), 67.
  95. De Nino III (1883), 67.
  96. Vgl. Aarne / Thompson 1964, 125: «Caterinella»; Rumpf 1979; den Motivüberblick bei Aprile 2000, 500.
  97. Der Antagonist trägt verschiedene Namen wie «Zio Lupo, Barbe Lof, Barba Zucon, Nonno Cocon» (FI 1107).
  98. Vgl. «Da questo tipo semplicissimo (e qui ho seguito una delle versioni che possono dirsi più ricche) si arriverà alla perfetta grazia di Cappuccetto rosso» (FI 1107), wobei er sich auf den kurzen Beitrag von Vidossi (1937, 69) stützt, der weitere Versionen des Typs aufzählt und der matriarchalen Rotkäppchen-Deutung von Pancritius (1932, 770–771) widerspricht – worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann.
  99. Toschi (1925/2011), 163.
  100. Dieser Satz findet sich nämlich bereits in der Version von Bernoni (1875, 78), allerdings an späterer Stelle beim Restituieren der Pfanne.
  101. Toschi (1925/2011), 164.
  102. Bernoni 1875, 76.
  103. Bernoni 1875, 77.
  104. Bernoni 1875, 78.
  105. Bernoni 1875, 79.
  106. Schneller 1867, 8.
  107. Bolognini 1881, 9.
  108. Bolognini 1881, 10.
  109. Bolognini 1881, 9.
  110. Vgl. «perchè, vedete, quando non si opera bene, per la nostra mala natura e falso amor proprio, si vorrebbe a forza che il male non fosse male, e vengono buone anche le scuse più deboli e assurde» (Bolognini 1881, 11).
  111. Bolognini 1881, 12, 13.
  112. Bolognini 1881, 13.
  113. Bolognini 1881, 14.
  114. Zorzùt II 1925 (1982), 177; bei Calvino findet sich eine falsche Seitenzahl.
  115. Zorzùt II 1925 (1982), 178.
  116. Forster 1891, 331; diese Version findet sich nicht bei Aprile 2000.
  117. Der Name wird zudem überwiegend mit der Selbstverständlichkeit eines bekannten Namens für die Handlungsträgerin in einer Serie von Geschichten eingeführt. Als weiteres Element der Charakterzeichnung geht die Initiative für das Ausleihen der Pfanne in drei Fällen (3, 47, 87) vom naschhaften Mädchen aus, das somit eine größere Verantwortung für die Konsequenzen ihres Handeln zugeschrieben bekommt – allerdings wird sie nicht immer dafür bestraft, sondern im letzten Märchen (87) gerettet. Dadurch fällt die Inkonsistenz von Text 46 noch stärker ins Auge, der die Protagonistin auf Anweisung der Mutter die Pfanne ausleihen schickt, die Leihgebühr zudem von deren Freundinnen vernaschen lässt, am Ende jedoch Mutter und Tochter mit dem Tode bestraft, was Caterina den Nimbus einer zu Unrecht getöteten kindliche Unschuld verleiht.
  118. Anderson I (1927/1960), 10.
  119. Anderson II (1929/1960), 58.
  120. Vgl. «Rosina in cucina, / Rosina in sula schela, / Rosina sora u let – / Rosina, a t’ò magnèd!» (Anderson I (1927/1960), 11).
  121. Anderson II (1929/1960), 57; bemerkenswerterweise wird die Bestrafung in diesem Fall minder schweren Vergehens jedoch zusätzlich auf die Mutter ausgeweitet, was der abschreckenden Intention des Märchens eine extreme Drastik verleiht.
  122. Anderson III (1933/1960), 48.
  123. Vgl. die eingangs erwähnte «fantasia de magnà le fritelle» der Mutter und die Charakterisierung von Caterinella als «jótta» (Zanazzo 1907, 321, 322).
  124. Vgl. die filastrocca des Orco «Niccio, niccio / Che ppuzza de cristianiccio» (Zanazzo 1907, 323); analog bei Visentini 1879, 157.
  125. Zanazzo 1907, 323.
  126. Pitrè 1885, 243–245, hier 243; diese Version war zudem bereits in der von Calvino benutzten Sammlung Forsters erwähnt worden (1891, 331).
  127. Pitrè 1885, 244.
  128. Vgl. «E Nonno Coccone invece di mangiare la bambina di ciccia, mangia la bambina di stoppa, con tutti gli spilli, ogni cosa. Quando fu a mezza strada morì» (Pitrè 1885, 245).
  129. Vgl. Pitrè 1885, 245 zur filastrocca und 244 zur chronologisch verrutschten und teilweise gedoppelten Erzählung der zweiten Begegnung mit dem Nonno Coccone; eingangs wird zudem das tote Motiv fehlenden Mehls eingeführt (243), später jedoch nicht mehr aufgegriffen.
  130. Vgl. auch den gleichlautenden Kommentar «La finta signora malata con la coda nascosta sotto il letto ricorda il lupo di Cappuccetto rosso (cfr. nota alla nostra 26)» (FI 1158).
  131. Pitrè / Zipes 1875/2013, III, 116.
  132. Vgl. «E cu’ l’ha dittu, e cu’ l’ha fattu diri, / Di la sò morti nun pozza muriri» (Pitrè / Zipes 1875/2013, III, 122).
  133. Vgl. «Stammi bene a sentire, tu! – fece la Signora, e già aveva cambiato voce, – scopa da tutte le parti, ma non sotto il letto, hai capito?» (FI 926).
  134. Pitrè / Zipes 1875/2013, III, 122.
  135. Visentini 1879, 157; bei Calvino wörtlich übernommen «Il lupo, che sentiva odor di cristiano, annusa tra le zucche, gira e rigira e non la trova» (FI 162).
  136. Vgl. Unrein 2014.
  137. Vgl. Brüder Grimm 1999, I, 160, wo der Wolf mit Wurst-Wasser vom Dach gelockt wird und in einem Trog ertrinkt.
  138. Vgl. Barsotti 2020, 117; Beckwith 1987, 244; Benson 2003, 73–74; Canepa 2015, 83; Cirese 1988, 21; Cusatelli 1988; Kindl 1995, 30–31; Miele 2011 u. 2017; Rubini 2014, 1588; Saletta 2011, 157; mit negativer Bewertung der Parallelen Anderson 1958, 284; ausdrücklich dagegen aber Bacchilega 1989, 85.
  139. Bronzini 1995, 169 et passim; Barsotti 2006 mit der Präzisierung als «Grimm stilisticamente moderno» (89).
  140. Vgl. «Molto all’ingrosso possiamo dire che l’influenza del mondo germanico è limitata alle zone più settentrionali (si può già vedere dai confronti con Grimm: gli stessi ‹tipi› si presentano molto variati nella più gran parte dell’Italia)» (FI 43).
  141. Vgl. den Zitatkontext: «Risorse cupa e truculenta all’alba del secolo XIX nella letteratura romantica tedesca, come anonima creazione del Volksgeist, da un’antichità ancestrale che aveva colore d’un atemporale medioevo, per opera dei fratelli Grimm. Il culto patriottico della poesia dei volghi si diffuse tra i letterati dell’Europa» (FI 6).
  142. Vgl. auch die Rede vom «‹orrido› grimmiano» (Calvino 2009, 104) im späteren Text ‹Le fiabe del focolare› di Jacob e Wilhelm Grimm.
  143. Vgl. «Il metodo di trascrizione delle fiabe ‹dalla bocca del popolo›, prese le mosse dall’opera dei fratelli Grimm e s’andò codificando nella seconda metà del secolo in canoni ‹scientifici›, di scrupolosa fedeltà stenografica al dettato dialettale del narratore orale›» (FI 13–14).
  144. Vgl. «Proprio ‹scientifici› come oggi s’intende i Grimm non furono, ossia lo furono a metà. Lo studio dei loro manoscritti conferma ciò che la semplice lettura dei Kinder- und Hausmärchen già rivela all’occhio esercitato: che sulle pagine dettate dalle vecchiette [Nota: Si sa pure che solo una parte delle fiabe dei Grimm furono raccolte dalla bocca del popolo (essi ricordano soprattutto una contadina d’un villaggio presso Cassel); molte furono riferite da persone colte, come ricordavano d’averle sentite narrare nell’infanzia dalle loro nutrici.] i Grimm (particolarmente Wilhelm) lavorarono molto di testa loro, non solo traducendo gran parte delle fiabe dai dialetti tedeschi, ma integrando una variante con l’altra, rinarrando dove il dettato era troppo rozzo, ritoccando espressioni e immagini, dando unità di stile alle voci discordanti» (FI 14).
  145. Vgl. «facendomi scudo di nomi così famosi e così distanti» (FI 14).
  146. Vgl. «il lavoro mio, paragonabile come tipo d’intervento alla seconda parte del lavoro svolto dai Grimm» (FI 15).
  147. Calvino 1993, 43; nebenbei verstärkt die zitierte Stelle auch den Eindruck von Calvinos Gleichsetzung von Märchenpublikum mit Kindern.
  148. Vgl. die bekannte Merkmalreihe von Lüthi 2005, zur «Flächenhaftigkeit»13–24.
  149. Zwiespältig ist auch Calvinos Verhältnis zu den wissenschaftlichen Positionen der Folkloristen, so läuft das von Zorzùt (III 1926/1982, 187) in den Avvertenze geäußerte Eintreten für genuine novelle ohne Bearbeitung Calvinos Verfahren zuwider, während Forsters (1891) Avvertenza (82–83) mit seiner Präferierung des popolo und der Traditionen gegen den ‹schädlichen› Einfluss der lingua letteraria durchaus Parallelen zu Calvino aufweist.
  150. Vgl. «La morale della fiaba è sempre implicita, nella vittoria delle semplici virtù dei personaggi buoni e nel castigo delle altrettanto semplici e assolute perversità dei malvagi; quasi mai vi s’insiste in forma sentenziosa o pedagogica» (FI 50).
  151. Vgl. die zitierte «situazione ‹realistica›» (FI 52) in der Introduzione.
  152. Vgl. dazu auch Miele 2017, 71.
  153. Lavagetto 2001, 71.
  154. Lavagetto 2012, xxxi-xxxiii u. Lavagetto 2001, 71–73.
  155. Calvino 1993, 43.
  156. Calvino 1993, 43–44.
  157. Cruso 2007, 104.
  158. Cruso 2007, 104.
  159. Cruso 2007, 104–106, hier 104.
  160. Beckwith 1987, 257.
  161. Vgl. Beckwith 1987, 256.
  162. Vgl. «Although the present analysis is based on only one of Calvino’s sources, it seems unlikely that extending the study to all of them would uncover a different pattern from that revealed here. Calvino’s collection should not be dismissed, but it must be used with caution. It occupies middle ground between the purely popular and the scholarly collection» (Beckwith 1987, 261).
  163. Vgl. «‹Siamo come Cappuccetto rosso in visita alla nonna malata, – pensò Amerigo. – Forse, aperta la tendina, non troveremo più la nonna, ma il lupo›. E poi: ‹Ogni nonna malata è sempre un lupo›.» (Calvino 1994, 80).
  164. Calvino 1995, 199.
  165. Calvino 1995, 201.
  166. Vgl. Calvino 1995, 206.
  167. Calvino 1995, 212.
  168. Vgl. «è per questa via di libertà aperta dalla letteratura che gli uomini acquistano lo spirito critico e lo trasmettono alla cultura e al pensiero collettivo» (Calvino 1995, 217).
  169. Calvino 2009, 95.
  170. Calvino 2009, 96.
  171. Vgl. «i Grimm (specialmente Wilhelm) intendevano la loro fedeltà più nello spirito che nella lettera: traducevano (dai dialetti) e rinarravano le storie in base a una loro idea della semplicità popolare» (Calvino 2009, 97).
  172. Vgl. «si convinsero che il loro compito era ricostruire sulla base delle varianti il testo più probabile della fiaba originaria» (Calvino 2009, 98).
  173. Calvino 2009, 95; vgl. entsprechend auch Schmiele 2020, 13; biographische Informationen zu den Brüdern Grimm bieten z. B. Denecke 1990a u. 1990b; ausführlich Martus 2010.
  174. Vgl. «Il divertimento maggiore, in un mondo di storie governate da strutture convenzionali e iterative, è costituito dalle improvvise esplosioni d’improbabilità» (Calvino 2009, 106).
  175. Calvino 2009, 106.
  176. Im folgenden mit der Sigle KHM, Band- und Seitenzahl zitiert nach der in der Bibliographie aufgeführten Ausgabe Brüder Grimm 1999.
  177. Vgl. «ihr bloßes Dasein reicht hin, sie zu schützen» (KHM I, 16).
  178. Dieses Prinzip setzt sich bis zur siebten Auflage 1857 fort, in deren Vorrede vom Ausscheiden einiger Texte berichtet wird, die «auf fremdem Boden entsprungen waren» (KHM I, 27).
  179. Wilhelm Grimms Literarisierung und generell die Buchmärchen der ‹Gattung Grimm› stoßen aus volkskundlicher Warte auf Ablehnung, vgl. Lüthi 2005, 99–102, der postuliert: «Wenn Grimmsche Märchen zurück ins Volk gelangen, pflegen sie sich von selbst zu reinigen» (101); entsprechend kritisiert er «Calvino, der sich öfters eigene dichterische Ausschmückungen und Einschaltungen erlaubt, hat dabei leider die Grenze des Zulässigen überschritten» (109); auch Zipes (2002) beschreibt die Grimms kritisch – allerdings aus feministischer Perspektive als «tailors» (58) des Patriarchats; an gleicher Stelle findet sich die einzige (unqualifizierte) Erwähnung Calvinos im Kontext der bedauerten «male domination of the genre» (59).
  180. Schmiele 2020, 23.
  181. Vgl. «Die Grimms sind keine Autoren wider Willen. Man könnte sagen, sie haben sich eines der magischen Gegenstände ihrer Märchen bedient, um ihre Gegenwart zu verschleiern» (Schmiele 2020, 23) und 17 zur Abgrenzung von Folklore.
  182. Vgl. «Damit ist unmissverständlich gesagt, dass Wilhelm nicht nur der Herausgeber des Buches, sondern der Autor des Werkes ist» (Schmiele 2020, 33).
  183. Schmiele 2020, 23.
  184. Schmiele 2020, 361.
  185. Vgl. die ohne Belege in den Raum gestellte Behauptung, die KHM wiesen eine «allgegenwärtige Sinnlichkeit, wenn nicht geradezu Erotik» (Schmiele 2020, 13) auf.
  186. Vgl. auch Lavagetto, der Calvino zuschreibt, beide Brüder Grimm in sich vereinen zu wollen, um dann aber Wilhelm den Vorzug zu geben (2012, xxxviii).
  187. Hesiod 2007, 59.